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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 51.1903

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Heft 27
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https://doi.org/10.11588/diglit.55112#0606
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606

Dllmoristisckes. ^K-SK^-SK-SK-M-SK-SK

Eine katcils Selckiclite.
Von
Paul 8cküler-lln6er;.

,,^)hr wißt," sagte Pichler und füllte sein
Glas nut einem Markobrunner, der nicht von
schlechten Litern war, „ihr wißt, daß ich früher
in dem Städtchen T. . . . als Anwalt tätig war.
Lines Abends unternahm ich mit dem Referen-

„Hören Sie mal, lieber Herr," sage ich, „der
Mann ist ein Korpsbruder von mir." Der Krämer
macht ein langes Gesicht.
„So?" sagt er und erhebt sich, „na, dann entschul-
digen Sie nur; dann gehe ich zu Ihrem Kollegen."
„So bleiben Sie doch!" rufe ich und halte ihn
fest und suche ihn zu beruhigen. „Seien Sie doch
vernünftig, Herr S.... Ich will Ihnen die Sache
ja gerne besorgen; aber sehen Sie mal: der Mann

„Na!" sage ich gedehnt, „wo warst du denn
gestern noch, mein Junge?"
„Ach," wimmert er und hält sich seinen Kopf
mit beiden Händen; „lieber Pichler, du kannst mich
totschlagen, aber ich habe keine Ahnung. Mir ist
bloß noch so dunkel in Lrinnerung, als wenn ich
irgendwo 'nen kleinen Krach gehabt hätte. Aber
wie gesagt —"
„Ich will dir sagen, wo du gewesen bist;" sprach


dar p. . . ., einem jüngeren Korps-
bruder, der am dortigen Gericht
seine Station abmachte, eine kleine
Bierreise. Als ich die nötige Bett-
schwere hatte, ging ich nach Hause.
Nicht so mein Korpsbruder. Lr be-
hauptete, noch schauderhaften Durst
zu haben und zog weiter. wie ich am
nächsten Morgen mit einem Brumm-
schädel in meinem Bureau sitze, kommt
der Delikateßwarenhändler S. ... in
Heller Aufregung herein und will
einen Strafantrag stellen. „Denken
Sie sich," sagt der Mann, „denken
Sie sich: ich sitze mit meiner Familie
ganz friedlich bei einer Bowle, da
öffnet sich plötzlich die Tür, und ein
Mensch tritt ins Zimmer und setzt
sich ohne weiteres an unseren Tisch.
Auf meine Frage, wer er sei und
was er wolle, antwortet er nicht,
sondern nimmt das erste beste Glas und trinkt es
aus. ,Herrll rufe ich, ,Sie verlassen sofort das
Zimmer? Lr bleibt ruhig sitzen. Ich fordere
ihn nochmals und dann nochmals auf. Kleine
Frau kriegt einen Weinkrampf, und meine Tochter
läuft aus dem Zimmer. Lr bleibt ruhig sitzen
und sagt weiter nichts als: ,Krummer Hund!- Das
ist doch Hausfriedensbruch, nicht wahr?"
„Ja," sage ich, „das ist Hausfriedensbruch."
„Na, und ,krummer Hund- ist doch eine Be-
leidigung, nicht wahr?"
„Ja, .krummer Hund- ist eine Beleidigung.
Da wollen wir gleich mal den Strafantrag ent-
werfen. Wer war denn eigentlich der Unver-
schämte? Wie heißt der Kerl?"
„Ja, das weiß ich nicht," war die Antwort;
„ aber ich glaube, er hat was mit dem Gericht zu tun,
und ausgesehen hat er so und so." Und der gute
Mann macht mir eine Beschreibung, die mir keinen
Zweifel läßt, daß der Attentäter niemand anders
war als mein Neferendar. Line böse Geschichte.

ist Referendar, und wenn die Sache an die große
Glocke kommt —"
„Ist mir Wurst."
„Seine Karriere —"
„Ist mir Wurst."
„Lr war doch offenbar betrunken —"
„Ist mir Wurst. Der Mensch muß seine Strafe
haben."
„Aber, lieber Herr, so seien Sie doch friedlich!
Sehen Sie mal, wenn er nun zuIhnen kommt und Ab-
bitte leistet—" Ich redete ihm zu wie einem kranken
Schimmel. Als ich eine Viertelstunde geredet hatte,
wurde er schließlich weich und meinte: „Ja, wenn er
zu mir kommen will und um Verzeihung bitten. Aber
nur unter einer Bedingung: er muß seinen schwar-
zen Zylinder aufsetzen und den Gehrock anziehen."
wir einigten uns aus der Basis des schwarzen
Zylinders und des Gehrocks, und der gekränkte
Delikateßwarenhändler zog von dannen. Kaum
war er draußen, da erscheint auch schon mein
Referendar auf der Bildfläche.

ich feierlich und erzählte ihm seine Erleb-
nisse mit dem Delikateßwarenhändler.
„Und eben war er hier," so schloß
ich, „um wegen Hausfriedensbruch und
Beleidigung gegen dich klagbar zu
werden."
Mein Neferendar bekam keinen
schlechten Schreck.
„UmHimmels willen," rief er, „was
soll ich tun? Das ist ja eine ver-
wünschte Geschichte!"
Ich beruhigte den Aufgeregten.
„Du kannst dich bei mir bedanken,"
sagte ich; „mit Hilfe meiner Redner-
künste ist cs mir gelungen, den Mann
zum Verzicht auf seine Nachepläne zu
bewegen; aber es ist eins Bedingung
dabei. Du mußt dir deinen schwarzen
Zylinder aufsetzen, deinen Gehrock
anziehen und um Verzeihung bitten.
Anders tut er es nicht."
Der Referendar fand das mit dem schwarzen
Zylinder, dem Gehrock und dem um Verzeihung
bitten sehr fatal. Allein was blieb ihm übrig? Lr
versprach mir, hinzugehen und vor dem Delikateß-
menschen seinen Kotau zu machen. —
Tags darauf treffe ich HerrnS.... auf derStraße.
„Na?" frage ich, „war er bei Ihnen?"
„Jawohl," sagt er, „er war bei mir."
„Hat er um Verzeihung gebeten?"
„Jawohl, das hat er, und den schwarzen Zylin-
der und den Gehrock hat er auch angehabt."
„Gott sei Dank," sage ich und atme erleichtert
auf, „dann ist ja die Sache in Ordnung."
„Nein," ruft er, „sie ist nicht in Ordnung!"
„Sie ist nicht in Ordnung?" frage ich erstaunt;
„ja, aber lieber Herr, was fehlt denn noch? was
wollen Sie denn noch eigentlich?"
„was ich noch will, Herr Rechtsanwalt, das
will ich Ihnen sagen," antwortet der Mann. „Sehen
Sie mal: der Herr, den Sie zu mir geschickt haben,
der ist es ja gar nicht gewesen!"

Der Vorlicktige in 6er Sommerfrische.


2m Manöver.

Wirk: Kommen Sie doch heraus, Herr Maier, am Himmel Ikrhk rin prächtiger Regenbogen.
Fremder: Kogel'» was ?



Srrgrank Hitzig <zum einjährig-freiwilligen Ulanen Fritze, welcher bet der Attacke
mit eingelegter Lanze kopfüber auf einem Düngerhaufen landet): Keine landwirkschask-
lichen Exkursionen, wenn ich bitten darf!

Unberechtigter Nachdruck aus dem Inhalt dieser Zeitschrift untersagt, übersetzungsrecht Vorbehalten.
Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Theodor Freund in Stuttgart, in Österreich-Ungarn verantwortlich vr. Ernst Perles in Wien.
Druck und Verlag der Union Deutsche Verlagsgesellfchafl in Stuttgart.
 
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