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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 4.1916

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IV.3
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Sachs, Hanns: Schillers Geisterseher, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42097#0187
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Schillers Geisterseher

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gerichtet. Die ruhige Betrachtung, die selbstvergessen in den Dingen
aufgeht, die »sichere Sinnlichkeit«, die er an seinem Freunde Goethe
so bewunderte, gingen ihm vollständig ab. Für das innere Wachstum,
das langsame Keimen und Reifen, das geduldige Austragen der
Ideen bis zur richtigen Stunde der Geburt, für diese Dinge, von
denen die Entwicklungsfähigkeit abhängt, schien niemand ungeeigneter
als er, der durch einen allzufrüh in voller männlicher Stärke erweckten
Haß zu einem immerwährenden leidenschaftlichen Sturmtempo an-
gepeitscht wurde. Pathos kann sich steigern und schließlich überschlagen
und ins Lächerliche umkippen, er kann seinen Gegenstand ändern
und von Niedrigerem zu Höherem überspringen, aber niemals aus
sich etwas Anderes, Neues gebären,- Schiller als der Einzige war
imstande, zwei Gegensätze, die sich unversöhnlich zu bekämpfen
scheinen, in seiner Brust zu vereinen. Die Wirkung seiner nur
auf Pathos gestellten Kunst beruht auf einer über ihr ursprüngliches
Selbst hinaus entwickelten Persönlichkeit.
 
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