Bücher
355
Bücher.
DAS BILD DES RAMSES. Drama von Franz Dubsky, Verlag
Georg Müller. München.
Wer in aufnahmsfähiger, empfänglicher Gemütstimmung eine Sammlung
ägyptischer Altertümer durchschreitet, wird beim Anblick der in hieratischen
Gleichmut thronenden Kolossalstatuen gewiß noch etwas mehr empfinden,
als archäologisches oder kunsthistorisches Interesse. Das Gefühl des Rätsel»
haften wird ihn erfassen und in seinen Bann ziehen, mag ihm sein geläu»
terter Geschmack, auch sagen, daß hinter der Steifheit der Bewegung und
der Ausdruckslosigkeit der Züge keine geheime Bedeutung stecke, sondern
nur eine zur Sdrablone gewordene künstlerische Tradition. Gleichwohl werden
wir ihm gegen seinen Geschmack recht geben, wenn wir das Rätsel auch
zunächst nicht in jenen Bildsäulen, sondern in ihm selber finden — eine
Rätselstimmung, die ihn ergreift, weil Erinnerungen, die seinem bewußten
Denken fremd und unheimlich sind, ihre Schatten über ihn werfen und ein
Stück seiner eigenen Seele zweideutig und rätselhaft erscheinen lassen.
Was gibt diesen Figuren die Macht, wenn auch nur für Augenblicke
eine dunkle Empfindung von Angst und Zweifel zu erwecken, die ihrer
starren Eindeutigkeit völlig fremd zu sein scheint?
Die Antwort wird dem Psychoanalytiker nicht schwer fallen. Diese
Königsbilder sind Vatergestalten, die aus menschlicher Urzeit stammend,
den Beschauer leicht in die eigene Urzeit zurückführen. Sie sprechen nicht
in dem durch Wahrscheinlichkeitsrücksichten und Vernunftbedenken beein*
flußten Dialekt zeitgenössischer Kunst, sondern stehen der echten, alten,
niemals völlig zu vergessenden Kindersprache nahe.
Ein Dichter, auf den dieser Eindruck offenbar besonders stark wirkte,
hat es unternommen, ihn gestaltend zu deuten,- er hat seine Empfindungen
sozusagen rückübersetzt, indem er sich von der durch solchen Anblick an*
geregten Phantasie in die Entstehungszeit des Bildes des Königs Ramses II,
entführen ließ, so daß der alte, verdrängte Konflikt sich als neues, eben ein*
tretendes Ereignis vor seinen und unseren Augen abspielt. Die einander
widerstrebenden Einstellungen sind auf verschiedene Personen verteilt, der
innere Zwiespalt wird als dramatischer Konflikt zwischen Kindestreue und
Vasallenauflehnung dargestellt,
Es handelt sich also nicht bloß um ein »Kostüm«, das heißt um die*
jenige Lokalfarbe, die dem Charakter der Handlung am angemessensten ist,-
Zeit und Ort sind ein wesentlicher Teil des Werkes, ein Stimmungselement,
das alles andere in sich einschließt. Freilich war es nicht möglich, diesen
völlig fremdartigen, altägyptischen Ton und Stil völlig festzuhalten und nicht
manchmal eine der Gegenwart angehörige Sinnesart zu Wort zu lassen.
Die Handlung des Stückes, die ohne Unterbrechung abläuft, hat bei
aller Geradlinigkeit hinreihend dramatishe Bewegung, um das Interesse zu
wecken und festzuhalten. Niht überall kommt die zwingende Logik der
Ereignisse, die der tragishe Aufbau fordert, voll zur Geltung, Spannung
und Gehalt der Situationen werden niht immer bis zum Grunde ausge*
schöpft, aber auh dort, wo ein Mangeln der vollen Reife der Tehnik fühlbar
wird, läßt sich der auf ein künstlerishes Ziel eingestellte Dihterwille niht
verkennen. Bei einer Handlung in solher zeitliher Entlegenheit bildet die
Sprahe ein besonders shwieriges Problem,- rein und lauter, gleih frei von
Banalität und Geshraubtheit, gleiht sie einer Glocke von edlem Metall, die
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Bücher.
DAS BILD DES RAMSES. Drama von Franz Dubsky, Verlag
Georg Müller. München.
Wer in aufnahmsfähiger, empfänglicher Gemütstimmung eine Sammlung
ägyptischer Altertümer durchschreitet, wird beim Anblick der in hieratischen
Gleichmut thronenden Kolossalstatuen gewiß noch etwas mehr empfinden,
als archäologisches oder kunsthistorisches Interesse. Das Gefühl des Rätsel»
haften wird ihn erfassen und in seinen Bann ziehen, mag ihm sein geläu»
terter Geschmack, auch sagen, daß hinter der Steifheit der Bewegung und
der Ausdruckslosigkeit der Züge keine geheime Bedeutung stecke, sondern
nur eine zur Sdrablone gewordene künstlerische Tradition. Gleichwohl werden
wir ihm gegen seinen Geschmack recht geben, wenn wir das Rätsel auch
zunächst nicht in jenen Bildsäulen, sondern in ihm selber finden — eine
Rätselstimmung, die ihn ergreift, weil Erinnerungen, die seinem bewußten
Denken fremd und unheimlich sind, ihre Schatten über ihn werfen und ein
Stück seiner eigenen Seele zweideutig und rätselhaft erscheinen lassen.
Was gibt diesen Figuren die Macht, wenn auch nur für Augenblicke
eine dunkle Empfindung von Angst und Zweifel zu erwecken, die ihrer
starren Eindeutigkeit völlig fremd zu sein scheint?
Die Antwort wird dem Psychoanalytiker nicht schwer fallen. Diese
Königsbilder sind Vatergestalten, die aus menschlicher Urzeit stammend,
den Beschauer leicht in die eigene Urzeit zurückführen. Sie sprechen nicht
in dem durch Wahrscheinlichkeitsrücksichten und Vernunftbedenken beein*
flußten Dialekt zeitgenössischer Kunst, sondern stehen der echten, alten,
niemals völlig zu vergessenden Kindersprache nahe.
Ein Dichter, auf den dieser Eindruck offenbar besonders stark wirkte,
hat es unternommen, ihn gestaltend zu deuten,- er hat seine Empfindungen
sozusagen rückübersetzt, indem er sich von der durch solchen Anblick an*
geregten Phantasie in die Entstehungszeit des Bildes des Königs Ramses II,
entführen ließ, so daß der alte, verdrängte Konflikt sich als neues, eben ein*
tretendes Ereignis vor seinen und unseren Augen abspielt. Die einander
widerstrebenden Einstellungen sind auf verschiedene Personen verteilt, der
innere Zwiespalt wird als dramatischer Konflikt zwischen Kindestreue und
Vasallenauflehnung dargestellt,
Es handelt sich also nicht bloß um ein »Kostüm«, das heißt um die*
jenige Lokalfarbe, die dem Charakter der Handlung am angemessensten ist,-
Zeit und Ort sind ein wesentlicher Teil des Werkes, ein Stimmungselement,
das alles andere in sich einschließt. Freilich war es nicht möglich, diesen
völlig fremdartigen, altägyptischen Ton und Stil völlig festzuhalten und nicht
manchmal eine der Gegenwart angehörige Sinnesart zu Wort zu lassen.
Die Handlung des Stückes, die ohne Unterbrechung abläuft, hat bei
aller Geradlinigkeit hinreihend dramatishe Bewegung, um das Interesse zu
wecken und festzuhalten. Niht überall kommt die zwingende Logik der
Ereignisse, die der tragishe Aufbau fordert, voll zur Geltung, Spannung
und Gehalt der Situationen werden niht immer bis zum Grunde ausge*
schöpft, aber auh dort, wo ein Mangeln der vollen Reife der Tehnik fühlbar
wird, läßt sich der auf ein künstlerishes Ziel eingestellte Dihterwille niht
verkennen. Bei einer Handlung in solher zeitliher Entlegenheit bildet die
Sprahe ein besonders shwieriges Problem,- rein und lauter, gleih frei von
Banalität und Geshraubtheit, gleiht sie einer Glocke von edlem Metall, die
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