338
Dr. Eduard Hitschmann
Leben erzählen. Zweimal wählte der gewandte schlanke Mann viel
jüngere, zarte Mädchen zur Frau. Die erste starb durch Selbstmord,
anscheinend unverstanden, zu kühl behandelt, vielleicht auch in
einer Liebe zu einem homogeneren Mann verfangen. Die zweite
Frau, die Mutter des Dichters, immer sanft und nachgiebig und
charakterisiert durch träumerische dunkle Augen, starb an Schwind-
sucht, als der Knabe sechs Jahre alt war.
Das Buch geht von der eigenartigen Fesselung aus, die der
Dichter stets am Grabe seiner Eltern empfindet, denn die beiden
Toten <bei Vaters Tod war er bereits erwachsen, hatte mit ihm
gebrochen und ihn verlassen) erfüllen ein Großteil seines Wesens,
das dem Totenkult verwachsen bleibt sein Lebelang. Daneben erfüllt
ihn noch die Liebe zur Natur und zur Dichtung und vor allem
zur geliebten Frau:
»Doch ein Weg ist von Toten mir freigegeben,
Der ist dort, wo sich zwei Augen heben,
Zwei Lippen locken mich zu sich fort
Und der Liebsten wortloses Wort.«
Besonders fesselnd sind die telepathischen Ankündigungen, die
der Sohn vom Tode des Vaters empfangen hat. Seit einiger Zeit
für Okkultistisches, Zahlensymbolik u, dgl. interessiert, spielt der
Sohn eines Tages mit einer sogenannten »Sternkarte«, zwei kon-
zentrischen, verschieden großen, kreisförmigen Blättern, auf deren
kleinerem Sternbilder und Milchstraße verzeichnet sind, während auf
dem Rande des größeren die dreihundertfünfundsechzig Tage des
Jahres eingezeichnet sind. Stellt man einen Tag auf dem Meridian
der Sternkarte ein, so kann man daraus die Stellung der Sterne
jenes Tages ersehen. Er stellt sie nun »in Gedanken« zuerst auf
den Geburtstag seines Vaters ein und dann auf seinen eigenen
Geburtstag, ist erstaunt, daß die Milchstraßen an diesen beiden
Daten sich kreuzen, und fragt verwundert, ob dies den Kontrast
seiner Natur mit der des Vaters ausdrücke. Unmittelbar
darauf taucht ohne äußeren Anlaß eine deutliche langdauernde
Halluzination eines charakteristischen Tabakgeruches auf,
der ihm aus seiner Jugend als für den Vater typisch in Erinnerung
war. Dies geschah, als er sich eben waschen wollte, er wusch daher
die Hände zwei- und dreimal, da er den Geruch von diesen aus-
gehend annahm,- daß es eine Halluzination war, war dadurch be-
wiesen, daß die Gattin das Vorhandensein des Geruches absolut
leugnete. Mehrere Stunden später trifft ein Telegramm ein, das
besagt, daß der Vater zur selben Stunde, als die Tabakhalluzination
des Sohnes in Paris auftrat, daheim in Würzburg gestorben ist.
Diesem den Sohn nicht etwa traurig, sondern nur feierlich stimmen-
den Geschehen war drei Monate früher ein den Tod des Vaters
ankündigender Traum vorausgegangen. Er fuhr damals aus dem
Schlafe auf, wie ein Leichnam ausgestreckt, die Hände über die
Dr. Eduard Hitschmann
Leben erzählen. Zweimal wählte der gewandte schlanke Mann viel
jüngere, zarte Mädchen zur Frau. Die erste starb durch Selbstmord,
anscheinend unverstanden, zu kühl behandelt, vielleicht auch in
einer Liebe zu einem homogeneren Mann verfangen. Die zweite
Frau, die Mutter des Dichters, immer sanft und nachgiebig und
charakterisiert durch träumerische dunkle Augen, starb an Schwind-
sucht, als der Knabe sechs Jahre alt war.
Das Buch geht von der eigenartigen Fesselung aus, die der
Dichter stets am Grabe seiner Eltern empfindet, denn die beiden
Toten <bei Vaters Tod war er bereits erwachsen, hatte mit ihm
gebrochen und ihn verlassen) erfüllen ein Großteil seines Wesens,
das dem Totenkult verwachsen bleibt sein Lebelang. Daneben erfüllt
ihn noch die Liebe zur Natur und zur Dichtung und vor allem
zur geliebten Frau:
»Doch ein Weg ist von Toten mir freigegeben,
Der ist dort, wo sich zwei Augen heben,
Zwei Lippen locken mich zu sich fort
Und der Liebsten wortloses Wort.«
Besonders fesselnd sind die telepathischen Ankündigungen, die
der Sohn vom Tode des Vaters empfangen hat. Seit einiger Zeit
für Okkultistisches, Zahlensymbolik u, dgl. interessiert, spielt der
Sohn eines Tages mit einer sogenannten »Sternkarte«, zwei kon-
zentrischen, verschieden großen, kreisförmigen Blättern, auf deren
kleinerem Sternbilder und Milchstraße verzeichnet sind, während auf
dem Rande des größeren die dreihundertfünfundsechzig Tage des
Jahres eingezeichnet sind. Stellt man einen Tag auf dem Meridian
der Sternkarte ein, so kann man daraus die Stellung der Sterne
jenes Tages ersehen. Er stellt sie nun »in Gedanken« zuerst auf
den Geburtstag seines Vaters ein und dann auf seinen eigenen
Geburtstag, ist erstaunt, daß die Milchstraßen an diesen beiden
Daten sich kreuzen, und fragt verwundert, ob dies den Kontrast
seiner Natur mit der des Vaters ausdrücke. Unmittelbar
darauf taucht ohne äußeren Anlaß eine deutliche langdauernde
Halluzination eines charakteristischen Tabakgeruches auf,
der ihm aus seiner Jugend als für den Vater typisch in Erinnerung
war. Dies geschah, als er sich eben waschen wollte, er wusch daher
die Hände zwei- und dreimal, da er den Geruch von diesen aus-
gehend annahm,- daß es eine Halluzination war, war dadurch be-
wiesen, daß die Gattin das Vorhandensein des Geruches absolut
leugnete. Mehrere Stunden später trifft ein Telegramm ein, das
besagt, daß der Vater zur selben Stunde, als die Tabakhalluzination
des Sohnes in Paris auftrat, daheim in Würzburg gestorben ist.
Diesem den Sohn nicht etwa traurig, sondern nur feierlich stimmen-
den Geschehen war drei Monate früher ein den Tod des Vaters
ankündigender Traum vorausgegangen. Er fuhr damals aus dem
Schlafe auf, wie ein Leichnam ausgestreckt, die Hände über die