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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Fred, W.: Die Wiener Sezession: VIII. Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0038

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Februar-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 27.

Martin Dülfer, München. Treppen-Aufgang zum Logen-Hause des neuen Stadt-Theaters zu Meran.

Bau-Ausführung des Theaters unter Leitung des Architekten W. Kürschner, München.

von allerlei Seiten, die zuerst höhnisch aufgenommen wurden,
nun Früchte getragen haben. Man sieht, dass die Kraft dieser
Wiener Künstler eben doch nicht in der Mode liegt, dass sie
sich nicht damit bescheiden, einmal gefundene Formen immer
wieder zu variiren, sondern dass sie tüchtig wachsen, sich
künstlerisch entwickeln. — Der stärkste Neu-Eindruck, den
man von den Möbeln in der diesmaligen Ausstellung erhält,
lst, dass sie konstruktiv geworden sind. Nun sind es nicht
mehr ungezügelte Kinder künstlerischer Phantasie; die Archi-
tekten und Maler sind nun alle in der Werkstatt gewesen.
Ilire Thätigkeit hat sie hingeführt. Sie verlangen nun nicht
mehr, wie früher, von dem Tischler und seinem Holze, dass
beide sich tyrannischen Wünschen fügen, die am Reissbrett,
fern von Hobel und Säge, entstanden sind. Der Anschluss
des Ausführenden an den Entwerfenden ist gefunden. Der
Kontrast ist merkwürdig. Noch gibt es in dieser Ausstellung
unkonstruktive Möbel, noch ist das Holz manchmal verfälscht,
aher der grosse neue Zug, der diesmal zum ersten Male zu
verspüren ist, geht nicht mehr in die Richtung, die durch
die ersten Arbeiten Olbrich's und Hoffmann's angezeigt ist.

Es ist bedauerlich, dass keine Interieurs zu sehen sind;
was sollen viele Kästen und Schränke, Betten und Stühle,
wenn sie nicht zueinander gepasst, in Einklang mit Wand
und Decke gebracht sind? Ein karakteristischer Zug des
modernen Kunstgewerbes ist das Betonen der Individualität.
Man meint, es genüge nicht, einen gefundenen Stil eintönig

und k '

2 . onsequent anzuwenden; man sucht den Zusammenhang
en Bewohner und Raum — wieder einmal den innigen

Anschluss der Kunst an das Leben. Derselbe Kasten ist das
einemal gut, das anderemal schlecht. Die eine Umgebung
zeigt seine positiven Qualitäten, die andere seine negativen.
Viele Beispiele aus dieser Ausstellung erbringen den illustri-
renden Beweis. Da ist z. B. ein Zeitschriften - Schrank von
Otto Wagner, sicherlich einem der besten Wiener Raum-
künstler unserer Zeit. Der Kasten ist ungemein gross, aus
grün polirtem Ahornholz, aussen mit rother Malerei (unter
Glas), innen mit wundervoll schöner Blumen-Intarsia eingelegt.
Die Farbe der Malerei ist blendend, schreiend, das Dessin
kräftig — der Eindruck der Grösse dieses Stückes wird also
noch erhöht. Flankirt ist dieser Kasten durch Wandbehänge
(grüne Seide mit rothem Dessin der nämlichen Art wie die
Schrank-Malerei). Man kann sich nun gut denken, dass diese
Möbel in ein angepasstes Interieur gebracht, wo sie eine
volle Wand ausfüllen und verkleiden, sehr gut wirken. Hier
aber, wo ringsum alles, wenn auch in anmuthiger Weise, mit
Möbeln vollgestellt ist, wirkt die ganze Anlage unruhig, auf-
reizend und bei aller Freude über die geistreiche Komposition
verliert man ein Gefühl des Unbehagens nicht. Der nämliche
Eindruck wiederholt sich bei manchem anderen Stücke, und
in einzelnen Fällen mag es auch geschehen, dass die Gründe
des Missfallens in dieselbe Richtung fallen, sich nur nicht so
klar auseinandersetzen lassen. Abgesehen von dem unvoll-
kommenen Eindruck, den die exponirten Sachen machen, ist
der Mangel an vollen Interieurs auch in anderer Hinsicht ein
starker Mangel der Ausstellung. Denn gerade die Originalität
der einzelnen Stücke und die verblüffende geistreiche Aus-
 
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