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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Commichau, Felix: Patriz Huber und die Heimat- Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0076

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XII. Jahrg. 1901.

Darmstadt.

April-Heft.

PATRIZ filJBER UNP PIE HEIMAT-KUNST.

1 eimat-Kunst«, es ist ein so liebes, inniges
Wort. — Oft haben wir es schon gehört;
bald klang es andächtig, sehnsuchtsvoll,
bald wie ein Schlachtruf, der die Getreuen
sammeln soll zum Kampf. Immer aber
klingt es uns ans Herz, und es wird einem
dabei so anheimelnd zu Mut, als höre man
V°m Vaterhause sprechen, unter dessen altem Giebel man als
Kind gespielt. Es ist ein hohes Wort und es atmet das
isse Bestreben, die Schöpfungen jener Kunst-Gattungen,
die das Bindeglied darstellen zwischen uns und der Scholle,
*e wir bewohnen, wie Architektur und Kunsthandwerke
Wieder zu einem sichtbaren Ausdruck unserer Eigenart zu
gestalten; es will, dass Heim und Heimat uns ein anderes
Besicht zeigen, als die weite Fremde, ein Gesicht, in dessen
ugen wir uns wiedererkennen sollen. Dass wir dies erstreben,
zeigt, dass wir's vermissen. Wir schauten in die Vergangen-
eu und fanden, dass es einst anders war, dass einst jeder
au> jedes Städtchen in Nord und Süden unseres Vaterlandes
eine eigene Kunst pflegte, die dazu half, sie greifbar, bildlich
v°n den anderen abzuheben. Erst das neunzehnte Jahrhundert
, * seinen Riesenfäusten verwischte diese Spuren von Eigenart
^ unserem Reiche — ja es wischte und nivellierte über ganz
uropa. Gehen wir von Land zu Land, von Stadt zu Stadt,
Petersburg bis Madrid, von Christiania bis nach Italien
nein, zeigen sich uns nicht überall Strassenbilder von fast
erschreckender Gleichheit? Untersuchen wir jedoch einmal
genauer jene Kräfte, die zur Zerstörung des Eigenartigen,
ividuellen in den architektonischen Künsten innerhalb der
verschiedenen Gebiete gewirkt haben, so müssen wir erkennen,
^ ss diese Kräfte durchweg sich als grosse Errungenschaften
eisernen Zeitalters repräsentieren, auf welche wir, die
Selbstbewussten Kinder desselben, sonst nicht wenig stolz sind.

Vor allem ist es der neuzeitliche Verkehr, der die schir-
menden Grenzen, in denen die alte Heimat-Kunst gedieh,
darniederwarf. Damit schuf er zugleich der aufblühenden
Industrie überall Absatzgebiete, die mit ihren billigen und
nur vom technischen Gesichtspunkte aus geschaffenen Erzeug-
nissen die Kraft des alten Handwerks brach, welches mit
der Haupthort heimatlicher Formen gewesen war. Die Bau-
technik reformierte sich nach allgemein anerkannten prak-
tischen Formeln, und wie diese, so verallgemeinerte sich auch
die auf ihr fussende Architektur, wozu die ungeheuere Menge
von Vorlage-Werken in allen Stilarten, die der rührige Buch-
handel auf den Markt warf, und besonders die Akademien
mit ihrer unindividuellen Erziehung nicht wenig beitrugen.

Der Verflachung der Formen, der banalen Schablone hat
die neue Kunstbewegung bereits mit Erfolg entgegengearbeitet;
ein erfreulicher Wandel ist bereits geschaffen! Was aber
haben wir von ihr in Bezug auf Lokalisierung der Formen
zu erwarten? Wird es ihr gelingen, wirklich wiederum eine
Heimat-Kunst in dem oben gekennzeichneten Sinne erstehen
zu lassen? Ich zweifle daran. Ihre Zeit ist vorbei. Eine
reiche Mannigfaltigkeit in allen Formen der architektonischen
Künste wird zwar ebenfalls entstehen, doch erscheint diese
Mannigfaltigkeit losgelöst von einzelnen Orten und Gegenden
und nur bedingt durch die erstarkten Persönlichkeiten unserer
Künstler; diese werden um so mehr aus ihren Schöpfungen
sprechen, als die engere Heimat in ihnen schweigt; wie sollte
sie auch nicht, da Wirkungskreis und Absatzgebiet des
Künstlers fast immer fern von ihr liegen, wenn auch selten
ganz ausserhalb ihrer Nation. Mit dieser jedoch stets in enger
Fühlung zu bleiben, halte ich für den deutschen Künstler
ganz unerlässlich, und derjenige wird unserem Volke in seiner
Gesamtheit am meisten sympathisch sein, der während des
Schaffens stets dalün strebt, seine Formen den Grundzügen

1901. IV. 1.
 
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