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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Levin, Julius: Neue Pariser Architektur und Möbel , [1] : das Haus von Yvette Guilbert's
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0095

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Seite 78.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Mai-Heft.

barocken Anklängen, die indes kaum bemerklich sind. Von
dem ersten Geschosse trennt es ein welliges Gesimse, auf
dem einerseits ganz kleine, durch Aushöhlung des Steines
erzielte Balkons ruhen, und an das andererseits ein grosser
vorbau-artiger sich ansetzt. Letzterer Balkon überdacht die
Thüre und trägt an seiner Unterseite den aus dem Steine
herausgemeisselten Portraitkopf der Besitzerin. Der Vorbau
hat zwischen der Mauer und zwei Säulen gelegene Seiten-
Fenster, die überwölbt sind. Deutlich von dem Vorbaue ab-
gesetzt und durch
ein Stück Wand
getrennt sind drei
durch Säulen ge-
schiedene Fenster,
die im Plane um
einen Meter höher
entworfen waren,
als sie in Wirklich-
keit geworden sind.

Diese Eintei-
lung des ersten Ge-
schosses lässt sofort
eine Vorstellung
von der Bestim-
mung der in ihm
enthaltenen Räume
zu. Man erkennt,
dass sie einen mehr
offiziellen Karakter
tragen. In der That
gibt der Vorbau
dem Empfangs-
Salon Licht, und
die drei Fenster
dem grossen Speise-
Zimmer. Hinter
dem grossen Em-
pfangs-Salon liegt
noch ein kleinerer.

In dem zweiten
Geschoss liegen die
privaten Räume.die
zum täglichen Be-
wohnen bestimmt
sind, und seine drei
Fenster machen
den deutlichen Ein-
druck, dass sie drei
verschiedenen Räu-
men angehören.
Das über dem Vor-
bau gelegene ge-
hört zum Schlaf-
Zimmer , vor dem

ein grosser, nur von zwei Säulen abgeschlossener Balkon.
Diese Säulen tragen auf den sie verbindenden Wölbungen
den gänzlich offenen Balkon der dritten Etage, hinter dem
das Dach aufsteigt. Der Dachraum enthält ein grosses Atelier,
das einen Oberbau tragen sollte. Von diesem wiederum sollte
sich um das ganze Dach herum ein durchbrochenes Zink-
Ornament ziehen, das aber nicht zur Ausführung gekommen
ist. Das Dach selbst ist platt und bildet eine grosse, mit
Kies belegte Terrasse. Das Seiten-Bild der Fassade wirkt
ansprechend; besonders eigenartig ist die Entwickelung des
Gesimses aus der Wand selbst. Sie geht vermittelst einer

Xaver Schöllkopf, Paris.

Kurve vor sich, die dem allgemeinen Karakter der Formen
ganz entspricht. Der Winkel ist, mit Ausnahme des Unter-
Geschosses, überall streng vermieden. Es entspricht völlig
diesem Grundsatze, dass er auch am Gesimse fehlt, und dieses
nur wie eine rundliche Verstärkung der Mauer selbst wirkt.

Im Schmucke des Aeusseren hätte man vielleicht noch
sparsamer sein können, als man gewesen ist. Das Blumen-
Ornament, das in der zweiten Etage zwischen die Fenster
gesetzt ist, erscheint ganz überflüssig. Dasselbe ist von den

Blumen - Verzierun-
gen an den Säulen
zu sagen, die sonst
gut entwickelt sind,
und deren Kapitale
hinsichtlich der or-
ganischen Bildung
zu dem Schafte in
demselben Verhält-
nissestehen, wie das
Gesimse zur Mauer.

Treten wir in
das Haus ein, so
kommen wir zuerst
in einen die Strasse
mit dem Hofe ver-
bindenden Korri-
dor, der mit einer
Bildsäule der Be-
sitzerin geschmückt
ist. Baulich ist er

ausserordentlich
einfach, aber vor-
nehm in seinem
guten Verhältnisse
zwischenLänge und
Breite und der Glie-
derung der Wände.
Rechts führt eine
Thüre zu dem Vesti-
büle, von dem aus
eine grosse Sand-
stein-Treppe zu den
Räumen des ersten
Geschosses hinauf-
steigt. Auf dem
Absätze erhebt sich
ein Beleuchtungs-
Körper in Form
einer Distel. Die
Rampe ist sehr
reich entfaltet, sogar
zu reich. Dieses
Geranke von Pflan-
zen-Teilen, die sich

indes zu keinem geschlossenen Ganzen vereinigen und mit
dem Treppen-Träger, der an sich gut und in klarer Linie
entwickelt ist, in gar keiner Beziehung stehen, widerspricht
im letzten Ende dem den Gesamtbau beherrschenden Grund-
gedanken. Die Treppe, sowie die Nischen waren ursprüng-
lich anders gedacht und haben auf besonderen Wunsch der
Bauherrin ihr jetziges Aussehen erhalten. Es sollte ein herr-
schaftlicher Eindruck erzielt, und der sogenannten Phantasie
ihr Recht werden. Eine gewisse Pracht ist der Treppe
auch nicht abzusprechen, allein sie wäre noch herrschaftlicher
in der Einfachheit gewesen, und die auf reine Linien sich

Hotel Yvette Guilbert. Rechter Teil der Vorderseite.
 
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