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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Unser Wettbewerb: Wohnhaus eines Kunst-Freundes, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0162

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August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 137-

Unser Wettbewerb: Wohnhaus eines Kunst-Freunpes.

11.

In vorliegendem Hefte bringen wir mehrere Blätter aus den
Entwürfen »Villa Maecenas« (Verfasser Architekt Karl
Müller—Hannover) und »Neidhammel« (Verfasser Hans
Schlicht—Dresden). Beide Projekte, welche in die engere
Wahl gelangten, wurden durch Ankauf eines Einzelblattes
für je Mk. 120.— ausgezeichnet, und sind, obgleich sie den
Anforderungen des Wettbewerbes speziell in stilistischer
Beziehung nicht ganz in dem gewünschten Maasse genügen,
dennoch — und ganz besonders für den Fachmann — von
hohem Interesse. In beiden Arbeiten, die in Bezug auf die
flotte, künstlerische Darstellung hohes Lob verdienen, zeigt
sich der Kampf der modernen Idee mit der Historie in augen-
fälligster Weise — ohne für die erstere mit einem Siege zu
endigen. Beide Arbeiten gehen von an sich völlig ver-
schiedenen architektonischen Weltanschauungen aus: »Villa
Maecenas« fusst auf dem Mittelalter; die Hannover'sche Schule
ist unverkennbar in ihm lebendig. »Neidhammel« geht von
einem der Antike verwandten Boden aus, der jedoch mit
Barock- und Empire - Elementen stark durchsetzt ist. Beide
Arbeiten suchen in heissem Bemühen nach Ausdrücken, die
uns noch mehr sagen können und in diesem Bestreben treffen
sie sich in einem Sinne, ja manchmal in einem Ausdrucke.
Müller will vor Allem in mittelalterliche Ruhe mehr Bewe-
gung bringen; die gerade Linie paralysiert er teilweise mit
Glück, durch das Element der Kurve (Fensterreihe des
I. Stockes, Schmalseite S. 133, und parabel-bogiges Fenster
am Turme). Die nackte Fläche will er durch das häufig
auftretende plastische Ornament nachdrücklich beleben. —
Schlicht strebt vom anderen Pole ihm entgegen. Die
Schwülstigkeiten, die Extravaganzen seiner historischen Vor-
bilder sucht er zu mildern, was ihn jedoch nicht ganz hindert,
wiederum neue zu begehen. Trotzdem gelingt es ihm, über
einigen Partieen seines Gebäudes einen würdigen Ernst aus-
zubreiten (S. 132, Längsseite, Giebelpartie und Aufgang) eine
Partie, die auch insofern recht merkwürdig

ist, als der aus ihr redende -\ Geist schon

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starke Verwandtschaft mit demjenigen aufweist, welcher aus
einzelnen Teilen der Müller'schen Arbeit (Turm-Partie mit
Parabel-Fenster) spricht. In diesen genannten Partieen, in
denen die feindlichen Zeitalter sich die Hände reichen, stehen
die Autoren »modernem« Geiste am nächsten.

Was die Grundriss-Dispositionen anbelangt, so ist beiden
Projekten das gemeinsam, dass sie die Diele und die Neben-
räume (wie Diener-Zimmer, Garderobe und Freitreppe) in ein
Rechteck vereinigen. Auch in der Gruppierung der Zimmer
um die Halle bestehen Aehnlichkeiten; so ist das Musik-
Zimmer mit dem Herren- und Damen-Zimmer vereinigt,
während der Speise-Raum, dessen enge Vereinigung mit den
Repräsentations-Räumen bei festlichen Gelegenheiten sehr zu
wünschen wäre, von jenem weit abliegt. In der Anordnung
der Bühne zu der Diele ist Schlicht glücklicher als Müller;
ersterer legt beide Räume genau in eine Axe, ein Gedanke,
der übrigens bei mehreren Projekten des Wettbewerbes wieder-
kehrt, und ermöglicht so die ausgedehnte Benutzung der
Halle als Zuschauer-Raum, während letzterer sich zu diesem
Zwecke mit dem Musik-Zimmer begnügen muss. Ueberhaupt
kann man die Grundriss - Lösung Schlicht's als die reifere
bezeichnen; besonders ausschlaggebend hierfür ist die Dis-
position des Obergeschosses im Projekt »Neidhammel«.

In den Innen-Dekorationen geht Müller, der Gotiker, zu
weitgehender Benutzung von Empire-Motiven über (Titelkopf
dieses Heftes und ganzseitige Illustration auf Seite 135).
Schlicht wird eigener noch, als in den Aussenformen seines
Hauses; legt jedoch seiner nach neuen Formen lechzenden
Phantasie nicht strenge genug die Zügel an. Man wird an
manchen Einzelheiten, ja auch an dem Gesamt-Eindrucke der
Interieurs Anstoss nehmen, man wird jedoch auch zugleich viele
geistreich gegebene Ideen im Grossen und im Kleinen finden.

Die Gesamt-Erscheinung beider Gebäude (Beilage I u. II) ist
eine ansprechende. Müller schadet seinem Projekte etwas durch
die allzustarke Emporziehung des Turmes und gibt ihm dadurch
etwas Kirchenartiges. Schlicht's Gebäude wirkt geschlossen.

cacKcescfoass«

Architekt Hans Schlicht, Dresden.

Wettbewerb; Wohnhaus eines Kunst-Freundes. Aus der engeren Wahl: Motto: »Neidhammel«
 
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