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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Zimmermann, Ernst: Altes und neues Porzellan und sein Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0166

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August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 141.

sind, und dass, wer hier zuerst an weitgehende Befriedigung
denkt, und solche auch zu geben weiss, in dieser Beziehung bald
an der Spitze der Zivilisation schreiten wird, wobei sich dann
gar bald zu dem ideellen der materielle Erfolg gesellen wird.

Freilich die Schwierigkeiten sind hierbei nicht geringe.
Wir haben ja noch keinen allgemein gültigen keramischen
Stil, und es wird unserer Zeit auch garnicht leicht werden,
einen solchen zu finden. Was die moderne Keramik bis jetzt
errungen, sind dank der japanischen Kunst farbige Glasuren,
die aber ihre volle Bedeutung nur für das Steinzeug haben
dürften, da sie dem edlen Material des Porzellans durch Ver-
decken immer Abbruch thun und auch für Gebrauchs-Geschirr
kaum zu verwenden sind. Wer, der je eine zarte, weiss
schimmernde Porzellan-Tasse in der Hand gehabt, wird jemals
eines der ätherischen Getränke, ohne die wir Europäer einmal
nicht mehr leben können, aus jenen dickwandigen Gefässen
mit ihren hier geradezu unappetitlich wirkenden Glasuren
trinken mögen, wer von buntscheckigen Tellern, in denen
schleimartig die Glasuren in der Mitte zusammenlaufen, des
Leibes Speise zu sich nehmen? Nur der Japaner hat ein
Recht, sich in seinen Shawans derartiger Trinkschalen zu
bedienen, da er bei seinen altertümlichen Thee - Zeremonien
ausdrücklich in alten Gebräuchen schwelgen will. Bei uns
wäre ein solcher Geschmack nur dekadent, das Zeichen einer
Laune, die einmal etwas anderes will.

Wie aber soll nun Porzellan dekoriert werden? Ich
glaube, die bisherigen Versuche haben kaum das Richtige
getroffen, da man sich bisher über den keramischen Stil
—; auch Semper versagt hier nach der koloristischen Seite
völlig — noch viel zu wenig Rechenschaft abgegeben hat,

daher zu sehr unter cfen Bann sonstiger moderner Ornamentik
geraten ist. Wer hier die modernen Geräte studiert, wird
finden, dass man sich zu ihrer Schmückung fast ausschliesslich
streng stilisierter Blumen bedient, die man, mehr oder weniger
breit entfaltet, bald auf kerzengerade Stengel steckt — so liebt
es das moderne Sevres — oder im Anschluss an den modernen
Kurvenstil mit Stengel ersetzenden dünnen Kurven verbindet,
wie es vor allem Münchener Künstler gethan haben. Die
Folge sind breite Farbflächen unmittelbar neben fast ver^
schwindend dünnen Linien, die in gar keinem Verhältnis zu
einander stehend, sich doppelt hart von der glanzvollen Fläche
des Porzellans abheben. Wo viel Licht ist, ist eben auch
der Gegensatz von hell und dunkel nur um so stärker, so
dass in diesem Falle ein Ornament sich viel energischer als
von einem matten Grunde, etwa Papier, loslöst. Es muss
daher, um harmonischer zu wirken, viel gleichartiger in seinen
einzelnen Teilen durchgeführt sein und inniger dem Körper
der Gefässe sich anschmiegen, um nicht von diesem sich
allzusehr zu trennen. Was soll man da von Gefässen sagen,
die, wie die einiger Münchener Künstler, fast zur einen Hälfte
blau, zur anderen weiss sind, oder von Kaffee-Kannen, an denen
beständig Linien auf und nieder tanzen! Keramische Gefässe
sind keine Harlekine und auch keine optischen Schaukel-Stühle.

Ganz andere Wege würden hier eingeschlagen, gingen
unsere modernen Künstler, obwohl sie es ja eigentlich nicht
»dürfen«, in unsere Kunstgewerbe-Museen und orientierten
sich, bevor sie schaffen, ein wenig über den keramischen Stil
der vergangenen Zeiten, der ihnen viel des Kopfzerbrechens
ersparen und ihnen ein Resultat in den Schoss schütten
würde, an dem Jahrhunderte und viele Nationen gemeinsam
 
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