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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Kalkschmidt, Eugen: Neubauten der Stadt Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0180

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September-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 153.

Kunstmaler Osk. Wichtendahl, Hannover.

auf der Hand: schon Sehring steht im Tietz'schen Hause
ganz ersichtlich unter Messels Einfluss, was weniger in der
verdorbenen vorderen, sondern vielmehr in der gelungenen
hinteren Front bemerkbar wird. Aber das Prinzip wird doch
auch sehr selbständig befolgt, kleinere Aufgaben, kleinere
Raum - Verhältnisse verlangen geschlossenere Behandlung,
wenn sie nach aussen einheitlich zum Ausdruck gebracht
werden sollen. Der Reiz des Materiales kommt hinzu, nicht
überall ist Granit, Sand- oder Kalkstein zu verwenden, und
glasierte Ziegel, farbig belebt, verlangen, wenn sie auf eigene
Art lebendig werden sollen, doch wieder mehr als blosse
Nachahmer-Hände. Merkwürdig übrigens, dass die allgemeine
Neigung durchaus aufs vornehmere Material des Naturgesteins
gerichtet ist: der märkische Ziegelbau scheint die allgemeine
Entwickelung nicht recht mitmachen zu sollen. Warum wohl
nicht? Fürchtet man, sich mit gebranntem Lehm »gemein«
zu machen, mit ihm, der den Altberlinern nicht zu gering
für ihr Bestes, für ihre Kirchen war? Nun, er findet wohl,
profan wie er ist, auch zu diesen neuen Profanbauten noch
die rechte Verwendung, meinetwegen in. verklärter, aufgelich-
teter Gestalt, denn der Drang nach Licht ist es fast mehr,
als derjenige nach Luft, der die strahlend hellen Fronten dieser
Bauten erstehen liess, und so mit Recht.

Wie nach aussen nun, so im Innern. Wer denkt nicht
mit einigem Grauen an die öde und wüste Welt in den
Höfen der Berliner Geschäftshäuser. Kistenstapel, Staub,
Russ, dumpfe, feuchte Kellerluft und meist ein trübes Dämmer-
licht herrschen dort. Die hohen Wände, kaum verputzt und
schmutzig grau oder braun getüncht, zeigen eher Lichtlöcher
als Fenster, es ist nur alles eilig für den notwendigsten Bedarf
hergerichtet: die Fenster, Thüren, Treppen und was damit
zusammenhängt. Wie seltsam nun, wenn uns heute da, dort
und fast in jeder Geschäfts-Strasse das Antlitz mindestens eines
Hauses aufstösst; dessen ganzer Zuschnitt auf den ersten Blick
darthut, dass hier kein eiliges Provisorium, ganz gleich in
welchem Stil, angestrebt wurde, sondern eine ansehnliche
Stätte dauernder Arbeit, ein Haus, das sich »sehen lassen«,
das äusserlich wie innerlich repräsentieren kann. Ein behag-
liches Sicherfühlen im Besitz ist unverkennbar, und darum

verabschiedete man den Bau-Unter-
nehmer und leistete sich einen Archi-
tekten, denn man baut, denkt und
handelt ja nicht mehr von heut auf
morgen, und möchte die weiteren Ge-
biete und Zusammenhänge, die man
jetzt überschauend zu nutzen gelernt
hat, auch in den Raumformen aus-
gesprochen finden, innerhalb deren der
Lauf des geschäftigen Tages sich ab-
wandelt. Da haben denn auch die
Höfe eine Besserung erfahren: in
lichten Quadraten und Rechtecken, drei
und vier Stock hoch eingeschlossen,
sehen wir auf dämpfendem Asphalt-
Pflaster die groben Arbeiten des Auf-
und Abiadens, des Aus- und Ein-
packens mit einer praktischen Sicher-
heit und Schnelle geschehen, d^.ss es
ein Vergnügen ist. Den spezifischen
Eindruck dieser Höfe aber geben uns
das neue breite Licht und die geradezu
peinliche Sauberkeit. Und dieses, ich
möchte sagen: »geleckt« Reinliche
solcher Höfe wird zum guten Teil
bedingt durch die heitere Helle der
glasierten Gelbziegel, mit denen die Wände verkleidet sind;
mittendrin sitzen dann breit ausladend die meist dreiteiligen
Fenster, die eisernen Konstruktionsteile blau oder grün
gestrichen. In schlanken Schienen steigen, meist an schick-
lichster Stelle und mit offenkundiger Zweckbetonung unter-
gebracht, die Fahrstühle behende gleitend hinauf und herab,
und wir begreifen jetzt, wie gut und organisch es möglich war,
die vom schweren Güterdienst entlasteten Treppen sinngemäss
wieder zu Personen-Aufgängen mit schmückendem Bestreben
gefällig auszubilden. Denn nun »verlohnt« es sich doch, und,
wie gesagt: wir habens ja dazu, und wer wollte sich um
solcher Kleinigkeiten willen lumpen lassen?

Wenn wir dieses neue Leben und Treiben so über-
raschend sich entfalten sehen, müssen wir schliesslich noch
den fixen Bauleuten der letzten 50 Jahre dankbar sein, dass
sie ihr stilloses Handwerk aus allen Zeiten so billig [in die
Sonne stellten. Man denke, um wie viel langsamer die.
architektonische Entwickelung Berlins vor sich gehen würde,
wenn die vielen tausend Dutzendhäuser mit ihren angeleimten

Motto »Tusculanum«. Grundriss.

Architekt Arthur Bip.erfeld, Berlin.

Motto »Matz«
 
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