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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Kalkschmidt, Eugen: Neubauten der Stadt Berlin
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Osborn, Max: Haby's Frisier-Salon von H. van de Velde Max Osborn
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0194

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Seite 166.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

September-Heft.

froh sein, in seiner jetzigen riesenhaften Entwickelung diese
Persönlichkeit an leitender Stelle zu besitzen, deren Kraft des
Ausdrucks zwar nicht überwältigt, aber durch ein gesund
deutsches Einfühlen in Sinn und Zweck der Dinge auch dort
noch [sympathisch [anmutet, wo man aus diesen oder jenen
Gründen anderer Meinung ist. Männer wie Hoffmann geben
uns doch immer wieder die Beruhigung, dass der Zug zur
flachen Verallgemeinerung, der im Wesen unserer Tage ebenso
zu spüren ist, wie die Sucht zum Originellen um jeden Preis,
unsere eingewurzelte Freude an jeglicher lebendiger Eigenart
sobald noch nicht verdrängt haben wird. Reformatoren im
Städtebau — wer wünschte sie nicht —, wo aber wäre die
Stadt, die heute schon für die Pläne eines zweiten Schinkels,
eines anderen Schlüters das freie Amt und den weiten Raum
Schüfe? Eugen Kalkschmidt—Friedrichshagen b. Berlin.

Haby's Frisier=Salon von H. van de Velde.

Der Hof-Friseur Kaiser Wilhelm's IL, Herr Haby, der
in Alldeutschland wohlbekannte Erfinder und Meister des
emporgezwirbelten »Es ist erreicht «-Schnurrbarts, ein Mann
von grosser Umsicht und Intelligenz, hat den klugen Gedanken
gehabt, die Ausstattung seines neuen Geschäfts-Lokals in der
Mittelstrasse zu Berlin van de Velde anzuvertrauen. Der
belgische Künstler sah sich damit vor eine Aufgabe gestellt,
die so recht eigentlich seiner Begabung entsprach. Es ist
in dieser Zeitschrift wiederholt, besonders in ihrer umfassenden
van de Velde - Publikation (Januar-Heft 1900), darauf hinge-
wiesen worden, dass für uns Deutsche die grosse Kunst des
Brüsseler Meisters, sein konstruktives und dekoratives Genie,
hauptsächlich da in Betracht kommt, wo es sich darum
handelt, derartige Räume, ich möchte sagen: allgemeinen
Karakters auszugestalten. In der Durchführung solcher Ar-
beiten, zu denen er in erster Linie berufen scheint, kommt
ihm heute vielleicht kein anderer gleich. Seine strenge Sach-
lichkeit, seine Logik, sein scharfer Verstand, alle diese Eigen-
schaften, die zur Erreichung wohnlicher Intimität unter Um-
ständen hinderlich sein können, kommen ihm hier gerade zu
statten; die ausgeprägte Subjektivität seines Stils, die es ihm
schier unmöglich macht, sich den individuellen Neigungen
eines einzelnen Bestellers anzuschmiegen, gibt ihm dabei einen
Halt. Der demokratische Zug, der in van de Velde's Kunst
noch weit mächtiger wirksam ist, als in der des William
Morris, kommt in dieser Thatsache klar zum Ausdruck.

Bei der Installation für Herrn Haby, die das Hohenzollern-
Kunstgewerbe-Haus mit gewohnter Sorgsamkeit ausgeführt
hat, hatte van de Velde mit den denkbar ungünstigsten Raum-
verhältnissen zu rechnen. Das Geschäftslokal besteht, wie
man das in Berlin infolge der herrschenden eigentümlichen
Bauart sehr oft findet, aus zwei rechtwinkelig zu einander
stehenden Raumteilen, aus denen mit Hülfe der Eisenbalken-
Konstruktion jede trennende Zwischenwand entfernt wurde.
Der eine Teil ist überhell und hat zweierlei Licht, von der
Strasse und vom Hofe aus, das sich gegenseitig stört; der
andere, schmäler, aber länger, ist nur von einer Seite her
mangelhaft beleuchtet. Diese schauderhafte architektonische
Situation hat van de Velde mit glänzendem Geschick über-
wunden. Den Längsraum im Seitenflügel benutzte er für
die Herren - Abteilung. Die grosse Wand gegenüber den
Fenstern wird bis über Mannshöhe von einer durchgehenden
paneelartigen Holz - Konstruktion bedeckt, aus der sich in
kleinen Zwischenräumen die zahlreichen Einzel-Arrangements
für die Kunden, die hier das Heil ihres Hauptes vertrauens-
voll in die Hände kundiger Gehülfen legen, organisch heraus-
entwickeln. Diese Arrangements sind Muster von praktischer

Zweckmässigkeit. Um den Spiegel als Mittelpunkt gruppieren
sich kleine Platten, Etageren, Schubfächer und Schränkchen,
und alle Teile sind in graziösen, fliessenden Linien mit
einander verbunden. Ueber das matte Holz hin schlängeln
sich die Messingrohre für Gas, für kaltes und warmes Wasser,
um hoch über dem Kopfe des zu Verschönenden in einem
Beleuchtungskörper mit breiter Glocke, am Waschbecken
ganz offen und unversteckt in einfach - handlichen Wasser-
hähnen, und zu den Seiten in sinnreichen Apparaten für die
Brenn-Eisen zu enden. Tragkräftige Garderobe-Halter aus
Messing zwischen den Spiegeln, und winzige originelle Gestelle
aus gleichem Material — für den Schwamm, für das Papier,
an dem des Brenn-Eisens Hitze erprobt wird — erhöhen die
koloristische Abwechselung, zu der überdies auch der ange-
nehme olivengrüne Ton des Anstrichs über dem Holz und
an der Decke (an der Wand durch grosse hell- und dunkel-
violette ornamentale Figuren in karakteristischer belgischer
Manier belebt) beiträgt.

Gegenüber der Gleichmässigkeit dieser Seite, die aber
gerade durch die stets wiederkehrenden Arrangements vor-
trefflich wirkt, ist die Fensterseite sehr mannigfaltig. Hier
findet sich ein abgegrenzter kleiner Raum, in dem ein Hut-
bügler seines Amtes waltet, dann wieder einzelne Plätze, ein
durch einen grossen Bogen nach oben abgeschlossenes Gestell
mit Kopfwassern und anderen farbigen Essenzen in sauberen
Kristallflaschen (die Hinterwand aus Milchglas, damit das
Licht nach Möglichkeit durchschimmern kann), sowie mehrere
abgeschlossene Winkel und Nischen: ein Verschlag, in dem
die gebrauchte Wäsche sofort in den Souterrain verschwindet,
und ein paar separierte Kabinette, in deren verschwiegener
Stille Haar- und Bart-Färbungen und andere diskrete Toiletten-
Künste ausgeführt werden.

Der tiefe Vorderraum ist mehrfach geteilt; seine öde
Rechteckform ist dadurch ganz verschwunden. Zunächst
betritt man den Laden, dann einen wunderhübschen runden
Warte-Raum mit bequemen Polstern, Zeitungs- Ständen und
Schreib - Eckchen, und zu den Seiten gliedern sich einige
Damen - Kabinette an. Ueberall sind mit vollendetem Ge-
schmack die nötigen technischen Apparate als das Wichtigste
behandelt. Sie erst bestimmen die künstlerische Ausgestal-
tung der Räumlichkeiten, so dass diese stets und in jedem
einzelnen Stücke den ausgesprochenen Karakter des ganzen
Geschäfts-Lokals wahrt. Hier ist wirklich in mustergültiger
Weise die Zweckform ganz von selbst zur Zierform entwickelt.

Dr. Max Osborn—Berlin.

ZU unseren Illustrationen. Wir führen in vorliegendem Hefte vier
weitere Projekte aus der engeren Wahl unseres Wettbewerbes für das
Wohnhaus eines Kunstfreundes vor. — Leider gestattet diesmal der überaus
knappe Raum nicht, näher auf diese Leistungen einzugehen. Nur möge betont
werden, dass auch in ihnen die moderne Idee nirgends noch gesiegt hat, sich
jedoch überall in einem mehr oder minder heftigen Kampfe mit den beiden
mächtigsten Traditionen, hier mit der Renaissance, dort mit dem Mittelalter
befindet. Der ersteren Richtung folgen die Projekte >Heimat«, Verfasser:
Architekt Karl Späth, Berlin-Schöneberg, »Simpel«, Verfasser: Architekt Emil
Rockstroh, Charlottenburg, »Tusculanum« , Kunstmaler Oskar Wichtendahl,
Hannover. Alle drei Arbeiten haben den Vorzug vor einigen bereits veröffent-
lichten Entwürfen gemein, dass Aussen- und Innen-Architektur den gleichen
Karakter tragen. Das mittelalterliche Projekt, von dem wir leider nicht alle
Blätter vorführen können, ist sehr interessant. Es verrät einen wuchtigen, nach
grossem Ausdrucke ringenden, das Kleinliche verschmähenden Geist, auf dessen
Weiterentwickelung im modernen Sinne man sehr gespannt sein darf. Es
gereicht uns nun zur Freude, diese Entwickelung schon mit einigen weiteren
Illustrationen dokumentieren zu können. Sie stellen grösstenteils Ansichten des
Muse-Zimmers dar, welches Arthur Biberfeld auf der heurigen Berliner Kunst-
Ausstellung vorführt. Der kräftige, frische Zug, der aus dem Konkurrenz-
Projekt spricht, ist auch in ihm lebendig. Nur noch eine gewisse, ernste
Anmut gesellt sich hinzu, die dem Räume einen grossen Reiz verleiht. Möge
Biberfeld nur weiterstreben. Er hat das Zeug in sich, ein »Meister« zu werden!
 
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