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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Schmidkunz, Hans: Optische Gesetze und die Raum-Gestaltungs-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0204

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Oktober-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 175.

A.' Böhngen, H. Glaser und A. Hansen, München.

Wettbewerb: Wohnhaus eines Kunst-Freundes. Au«
der engeren Wahl: Motto »Deutsche Häuslichkeit«.

Schwarz und Weiss, grelles Licht und tiefes Dunkel. Be-
kanntlich wird jeder dieser Gegensätze durch den »simultanen
Kontrast« noch verstärkt: ein Blau ergibt neben sich orange-
farbene Lichter und Schatten, die also, auf ein schon vor-
handenes Orange fallend, es verstärken, auf ein Weiss oder
Schwarz fallend, es nach sich tönen, auf andere Kouleuren
fallend, mit ihren Mischungen eingehen, die je nach diesen
passend oder unpassend sein werden.

Es komplementieren, ergänzen sich oder kontrastieren
die Glieder der einen Hälfte der Farbenreihe (des Spektrums)
mit den entsprechenden Gliedern der anderen. Rot bis Gelb
ist die eine, Grün bis zur Grenze des tiefsten Indigo ist die
andere Hälfte, Violett führt als Rotblau zur ersten zurück.
Jene Hälfte ist die, welche die Maler die »warme« nennen,
diese die »kalte«; eine Unterscheidung, die noch viel zu wenig
in unser Besinnen über Farbenkunst eingegangen ist. Beide
Seiten sind so gegensätzlich zu einander wie Weiss und
Schwarz. Bleiben wir bei dem Vertrauen auf den Segen
der Einseitigkeit und bei der Vorsicht gegen den Fluch der
Vielseitigkeit, speziell der nebeneinandergestellten Extreme,
so werden wir im Schaffen eines Interieur-Werkes uns vor
allem hüten, Warmes und Kaltes durcheinander zu werfen.
Es wird uns vielmehr Eine Grundstimmung leiten, eine warme
oder eine kalte. Gegensätze aus der anderen Seite brauchen
nicht von vornherein ausgeschlossen sein; allein einen Sinn
haben sie nur, wenn wir sie nicht als Teilnehmer am Grund-
karakter des Interieurs, sondern als Abwechselung im Ein-
zelnen, zumal im feineren Kleinwerk, verwenden. Und je
mehr Zutritt wir ihnen gestatten, desto nötiger ist es, solchen
einander weiter entfernten, grössere Intervalle bildenden
Farben ihre »giftige« Reinheit zu benehmen, sie womöglich

so zu einander zu stimmen, wie in der Natur rote Blumen
auf grünem Gras oder gelbe Blumen vor dem blauen Himmel
harmonisch erscheinen. Und was auf den Metopen und
Triglyphen griechischer Tempel (hier ohnehin schon vorsichtig
abgetönt) oder auf den Festgewändern einer Volksmenge
passt: die Paarung von Rot und Blau oder dergl., — das
passt auch bei dem »farbenfreudigsten« Geschmack nicht für
ein Interieur. Das »Intime des Interieurs« ist kein blosses
Wortspiel. Intimität verlangt stille Einseitigkeit, verlangt ein
Verlegen des Abwechselungs- Bedürfnisses in das Ausfüllen
kleiner Intervalle, verlangt eine Unendlichkeit oder wenigstens
Unerschöpflichkeit nach innen. Wer freilich nicht intim hausen,
sondern grelle Allerwelts - Politik auch daheim treiben will,
der lasse eben in seinen Räumen Rot und Grün, Blau und
Gelb durcheinander schreien.

Allein auch die grösste derartige Brutalität, — und sie
vielleicht mehr als eine nachgiebige Schwächlichkeit — wird
bei einiger Besinnung nach dem Herrschen von Grundkarak-
teren suchen. Dem Auge keinen Halt, nicht Rast, nicht
Ruhe gönnen, ist Prinzipienlosigkeit; und Ueberfüllung mit
allerlei, undifferenziertes Gleichbehandeln verschiedener Auf-
gaben, ist nicht hohe Entwickelung, sondern Anfängerschaft.
Sind unsere Zimmer — wohl infolge eines geringeren Farben-
Bedürfnisses — koloristisch noch nicht allzu arg, so sind sie
es in der Linienführung weit mehr. Wir kommen hiermit zu
den Raum- oder Gestalt-Aufgaben. Das irre Liniengewirre
der gewöhnlichen Tapeten, die tollen Ornamente oben und
die endlosen Nippes-Sachen unten, die Gardinen dort und die
Schutz - Deckchen oder dergl. hier usw. — all dies ist im
Räumlichen das, was im Koloristischen das Ausschütten aller
Farben auf eine Wand wäre. Die drei Elemente des Wohn-

1801. x. 2.
 
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