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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Schölermann, Wilhelm: Rand-Glossen zum Kunsterziehungs-Tag in Dresden: 28. und 29. Sept. 1901
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0224

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November-Hefi.

III ustr.

kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite iq3

Bewegen innerhalb gegebener Bedingungen. Man sieht daraus,
was sich machen lässt, wenn ein Tüchtiger mit gesunder
Hirnsubstanz an die Aufgabe gesetzt wird, aus ungünstigen
Verhältnissen etwas heraus zu schaffen, das organische Glie-
derung, Raumgefühl, Form, kurzum, Stil hat. Fischer stellte
in seinem Vortrag verschiedene wichtige Forderungen für
das Schulhaus, welche keine Hirngespinste sind, sondern die
erfüllt werden können. Dass sie das können, hat er mit
seinen Schulbauteri selbst bewiesen. Ich kann nur die wich-
tigsten Punkte hier wiedergeben. Da ist in erster Linie der
Bauplatz. Wenn irgend möglich, sind Rückplätze zu ver-
meiden. Geht es nicht anders, so ist eine klosterähnliche
Gruppierung um einen offenen Platz oder Hof zu empfehlen.
Dies ist allerdings wohl nur da möglich, wo der Platz nicht
allzuviel kostet, also in kleineren Städten oder auf dem Lande.
Denn es gehört dazu der sogenannte einreihige Bau (d. h. wenn
nur eine Saalreihe mit einem Korridor um den Hof gelegt wird).

In grossen Städten ist es zu empfehlen, dass die Schul-
gebäude ihrer Würde und Bedeutung gemäss an wichtigen
(d. h. nicht etwa verkehrstechnisch, sondern künstlerisch wich-
tigen) Plätzen zu stehen kommen. Da der einreihige Schul-
bau zu teuer ist, der zweireihige (zwei Saalreihen mit einem
Mittelgang) aber die künstlerische Ausgestaltung des Aussen-
baues fast zur Unmöglichkeit macht, so rät Fischer zu einem
gemischten System, wobei die beherrschenden doppelreihigen
Baumassen durch einreihige Flügel und Glieder ergänzt und
verbunden werden. Im Innern empfahl der Vortragende das-
selbe, was ich als die Essenz alles Echten im Lebens-Stil seit
Jahren betone: Vermeidung jeglicher Imitation. Bronzierter
Gips und Fichtenholz mit aufgemalter Eichenholz-Maserung
sind zu vermeiden, wie gesprochene Lügen. Ein tüchtiger
Künstler vermag einen Raum ohne Ornamente schön zu
gestalten. Der Licht-Einfall, die Raum-Gliederung, Gegen-

sätze in einer Raumfolge, die richtige Wahl der Farben an
Wand und Decke, das alles sind Mittel, die gar nichts kosten,
und doch die feinsten von allen.

Dies sind nur die leitenden Gesichtspunkte. Wie sie im
einzelnen Fall anzuwenden sind, ist Sache des Baumeisters.
Die Kräfte scheinen schon heute reichlicher vorhanden als
man meint. Gibt man ihnen nur Gelegenheit, so werden
sie schon hervortreten.

Da hier von der Schule die Rede, mag auch gleich
erwähnt sein, wie es in den Räumen einer Dresdener Schule
(in der Silbermannstrasse) aussah, zu deren Besichtigung die
Teilnehmer des Kunsterziehungs-Tages feierlichst eingeladen
waren. O Graus! Kalte, graue Wände, farblose Räume, an
den Wänden hier und da ein vergrösserter Holzschnitt von
Ludwig Richter. Erstens verträgt die Zeichnung der Richter-
schen Blätter keine Vergrösserung, und zweitens waren diese
armen Bilder ganz verloren in der kalten, nüchternen Um-
gebung. Karakteristisch für die Auffassung von Wandschmuck
war der Umstand, dass die freundliche kleine Frau, die uns
die Herrlichkeiten zeigte, treuherzig versicherte, in jedem
kleineren Klassen-Zimmer sei eins, in den grösseren dagegen
wären zwei solcher Bilder aufgehängt worden! Nun, aller
Anfang ist schwer. Aber mit einem warmen Farben-Anstrich
an Wand und Decke wäre schon eher bei höchster Einfach-
heit etwas zu erreichen. Farbe muss in die Schule hinein!

An neuen Lehr-Versuchen für das Zeichnen und Formen
war manches Erfreuliche, ja Ueberraschende zu sehen. Die
Hamburger Volks- und Realschulen, die Dresdener Seminar-
Uebungsschulen und Berliner Schulen ragten besonders hervor.
Hier und da ging die Beherrschung der Form so weit, dass
man fast vor einem Zuviel warnen möchte.

Mit Befriedigung habe ich in den Bilderbüchern geblättert.
Dürers Marienleben, Holbeins Bilder zum Alten Testament,
 
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