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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Velde, Henry van de: G. Serrurier-Bovy, Lüttich
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0052

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INN EN-DEKOR ATI' )N.

SERRURIER-BOVY. Stuhl (ausgef. jgooj.

im Zusammenhang mit der englischen Kunst bleiben
würde, die aus diesen Rudimenten und dem Ver-
fahren das Holz zu drehen, die sicherste und augen-
scheinlichste Basis des Stils geschaffen hatte, den
er geschäftsmässig behandelte; als er später Ge-
legenheit hatte, die ersten Schöpfungen noch einmal
auszuführen, änderte er diese Einzelheiten, und wenn
wir in folgenden Reproduktionen die Bemerkung
»im Jahre 189g geändert« finden werden, so be-
zieht sich diese Aenderung, wie Serrurier-Bovy
mir schrieb, einzig auf das Drehen des Holzes, das
durch viereckige Holzstücke ersetzt wurde.

Ich brauche das Urteil, das ich im I. Kapitel
meines Buches fällte, nicht zu ändern, und die Notiz
Serruriers kann sich nicht auf mein früheres Gut-
achten beziehen, das ausdrücklich erklärt, dass
seine Kunst persönlich ist.

Ich denke heute ebenso, wie ich damals schrieb:
»Serrurier ist unbestreitbar der erste Künstler auf
dem Kontinent, der die Bedeutsamkeit des eng-
lischen kunstgewerblichen Stils begriff, und der den
Mut hatte, ihn bei uns einzuführen und einzubürgern.

Ich will nicht behaupten, das sein Werk sich
auf eine genaue Nachahmung beschränkte, im
Gegenteil, es zeichnete sich durch besondere und
keineswegs englische Karakter-Eigenschaften aus,

welche diese Möbel zu wirklichen Schöpfungen
machen, denen man ihren eigenen Platz wird ein-
räumen müssen. Sie bezeichnen den Uebergang
von den englischen Möbeln zum belgischen Stil.
Ich würde in Verlegenheit geraten, wollte ich die
Werke eines Künstlers kritisieren, dessen Vorgehen
mich beeinflusst hat, zwar nicht durch das, was er
in Wirklichkeit gab, sondern durch sein Beispiel,
welches mich veranlasste, in ähnlicher Weise wie
er, wenn auch mit einem andern Schönheitsideal
vor Augen, vorzugehen.«

Auch denke ich nicht daran, seine Werke zu
kritisieren; die Reihe der Reproduktionen, welche
in der Folge dieser Nummer erscheinen werden,
sprechen vor dem Publikum zu ihren eigenen Gunsten,
und ich wüsste keinen besseren Verteidiger zu
nennen. Wenige Worte werden genügen, um
meine Behauptung, die ich am Anfang dieses Artikels
aufstellte, zu bestätigen, dass die Werke Serruriers
nämlich die Basis des sogenannten belgischen Stils
bilden. Ich muss nur noch hinzufügen, dass die
Bezeichnung: »belgischer Stil« wenig zutreffend ist,
weil sie den Glauben erweckt, dass alle belgischen
Künstler über gewisse Grundprinzipien im Schaffen
einig sind. Das ist aber keineswegs der Fall; die
verschiedenen belgischen Künstler sind sich einander
unähnlich, und der Unterschied zwischen Serrurier
und Horta ist ebenso gross, wie der zwischen
Hankar und mir selbst. Ich werde noch Gelegen-
heit haben, dieses Abweichen von einander zu er-
weisen und den Karakter der beiden Strömungen
näher zu erklären, die in Belgien aus ganz ver-
schiedenen Quellen entstanden sind. Die Werke
Serruriers tragen im Keim die Züge dessen, was
ich sicher für die Kunst der Zukunft halte. Seine
Werke brechen zum ersten Mal in endgültiger Weise
mit den Stilen; in ihnen finden sich keine Spuren
der Gotik, der Renaissance, noch des Rokoko.
Sie erscheinen ursprünglich und sind es auch. Sie
haben alle guten und schlechten Eigenschaften einer
anfänglichen Kunst; sie tragen verkehrtes und
richtiges in sich; sie sind wahr erfasst, aber die
Mittel sind noch zu roh; sie machen sich von ihrer
Umgebung frei, aber dieselbe ist übertrieben, weil
sie das Maass, das einem Möbel und einem Schmuck
gebührt, überschreitet. Aber ein ganz besonderer
Reiz ersetzt diese Ausschweifung, er beruht in der
augenscheinlichen Zweckmässigkeit, in den wirk-
lich logischen Herstellungs-Mitteln. Man kann sich
schon Arbeiten vorstellen, die andere Reize besitzen,
andere spitzfindige Eigenschaften haben, welche sie
uns lieb und vertraut machen, aber das ist nun eine
Frage von persönlicher Vorliebe; man kann sich in
Wahrheit aber keine vollkommenen Arbeiten vor-
 
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