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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Velde, Henry van de: Das Museum "Folkwang" in Hagen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0287

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INNEN-DE KOR ATION.

275

Ich habe hier definiert, durch welche Schöpfungs-
Verfahren ich zum Resultat gelangte, und durch die
Reihe von Reproduktionen, die dieses und das vorige
Heft enthalten, vermag das Publikum ein Urteil über
mein letztes Werk zu fällen. Aber ich will bei dieser
Gelegenheit widerlegen, was gewisse Leute prophe-
zeihen, nämlich dass meine Prinzipien mich in eine
Sackgasse führen würden; was andere behaupten,
dass meine Prinzipien von einem Puritanismus wären,
der drohte unfruchtbar zu werden und unfruchtbar
zu machen. — Erstens sehe ich nicht, warum der,
welcher versucht, alles was er zu schaffen hat,
mittels seiner Vernunft zu lösen, notgedrungen am
Ende des Lieds in eine Sackgasse laufen muss.
Eine von Gründen gestützte und vernünftige Sache
trägt ihren Ausgang in sich selbst; und dieser Aus-
gang führt auf das Fruchtbarste im Leben.

Kein Grund ist es auch, dass ein Weg, welcher
streng vorgezogen ist, und der keine Seiten-Alleen
hat, wohin der, welcher sich darauf wagt, seine
Schritte lenken könnte, unvermeidlich in eine Sack-
gasse führt. — Zwei Berge, die das Lhal einschliessen,
zwingen das Gewässer auch, seinen Lauf dem mäch-
tigen und fruchtbaren Fluss entgegen zu nehmen.
Prinzipien, die auf so soliden und einfachen Grund-
lagen, wie die der »Existenz-Berechtigung« und
der »Folgerichtigkeit« ruhen, (siehe meinen Artikel
Innen-Dekoration, April-Heft) können uns wohl
keine grössere Freiheit lassen, als der Bach des
Thaies sie besitzt, aber so gewiss wie dieser einer
höheren Bestimmung entgegengeht, werden wir
den Stil erreichen' Die Folge unserer Werke ist
ebenso launenhaft und verschiedenartig wie der Lauf
des Baches; und diejenigen, welche nicht gegen sie
gewappnet sind, kosten diese Launen und Ver-
änderlichkeiten.

Was diejenigen, welche diese Prinzipien be-
kämpfen, am meisten zu genieren scheint, ist die
Thatsache, dass es gerade Prinzipien sind, und dass
diese ausserdem noch eine geistige Anstrengung
erfordern, an die sie nicht mehr gewöhnt sind. —
Sind wir am Ende der Welt, oder ist diese in die
Sackgasse des trockensten Puritanismus geraten,
weil wir uns auf eine formelle und einfache Regel
der Konstruktion berufen, in welcher ich wohl den
geheimen Zug unserer Zeit entdecke, welche, nach-
dem sie alles kontrolliert hat, sich nur noch mit
den Sachen begnügt — einerlei auf welchem Ge-
biet — welche ihr nach diesem Examen noch ver-
nünftig, mächtig und fähig scheinen, anderes noch
vernünftigeres und mächtigeres nach sich zu ziehen ?

Sobald es sich um Eisen-Konstruktionen oder
die Konstruktion von Maschinen handelt, wird
niemand von Unfruchtbarkeit oder Puritanismus

PROF. H. VAN DE VELDE. Tliür im Folkwang-Muscum.

betreffs der Prinzipien, welche die Ingenieure leiten,
sprechen; allen scheinen die Wege, die der Zukunft
entgegenführen, klar und offen. Warum mir die
Trockenheit und die Logik eines Vernunfts-Schlusses
vorwerfen, welche doch gleichfalls zur Schöpfung
der Maschinen, der Türme und der eisernen Schiffe
geführt haben, und welche den Prinzipien ent-
sprechen, welche die Griechen zur Errichtung ihrer
Tempel und die Goten zum Bau der Kathedralen
brachten. — Der Triumph, der einstimmig den
Maschinen in der Düsseldorfer Ausstellung zuge-
sprochen wurde, wird umsomehr dazu beitragen,
diese Wahrheit, die man in That umsetzen wird,
 
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