Mittelalter. II. Die Abendländer.
183
II. Kaprkel.
Die Köendländer.
8 15.
Während nach altgermanischer Auffassung das Kriegsühren ein
Recht, ja eine natürliche Lebensäußerung jedes freien Mannes war,
ist es bemerkenswert, daß die wissenschaftliche Anschanung des frühen
Mittelalters, soweit sie unter dem Einflusse der lateinischen Über-
lieferung stand, den Krieg geradeso als eine Betätigung des Stats-
lebens, als ein Mittel der Statskunst auffaßte, wie es die Byzantiner
getan hatten. Dvch wenn im Osten für die „Statswissenschaft der Tat"
vor allen Dingen nach praktischen Behelfen gesucht wurde, die man
am besten in den strategischen und taktischen Schriften der Alten zu
sinden überzeugt war, so vertiefen sich die Forscher des Abendlandes,
den Jmpulsen ihrer germanischen Blutbeimischung folgend, sofort in
die schwierigen Probleme über die Weltstellung des Krieges, über sein
Verhältnis zum Christentum, znm Völkerrecht, zur Lehnsverfassung;
sie erwägen die besondere Berechtigung des Krieges gegen die Un-
gläubigen und setzen diesem den Krieg zwischen den Glanbensgenossen
als unberechtigt entgegen; sie verlangen bald nicht nur den Land-
frieden, sondern den Weltsrieden, oder sie beschäftigen sich doch mit
den Mitteln zur Einschränkung, zur Milderung, zur Humanisierung
des Krieges.
Daneben kommen eigentlich kriegswissenschaftliche Gegenstände
sehr spärlich zur Geltung, anfangs nur in den Encyklopädien, welche,
entsprechend dem Unternehmen Konstantins VII. sß 9j, namentlich von
französischen Königen während des 13. und 14. Jhdts. angeregt und
von hervorragenden Geistlichen bearbeitet wurden; dann in den
literarischen Nachklängen der Kreuzzüge, welche zu neuen Waffentaten
im heiligen Lande aufrufen und die Mittel dafür nachweisen wollten.
— Auf jene encyklopädischen Arbeiten stützt sich besonders die erste kleine
deutsche Abhandlung über Kriegskunst, welche nach der Niederlage
von Sempach der Dechant Johann der Seffner schrieb. — Die
Heeresverfassungen decken sich wesentlich mit den Feudalverfassungen;
doch erläßt man schon im 12. Jhdt. für bestimmte Gelegenheiten
besondere Heeresgesetze, und im 14. Jhdt. treten neben die Schristen
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II. Kaprkel.
Die Köendländer.
8 15.
Während nach altgermanischer Auffassung das Kriegsühren ein
Recht, ja eine natürliche Lebensäußerung jedes freien Mannes war,
ist es bemerkenswert, daß die wissenschaftliche Anschanung des frühen
Mittelalters, soweit sie unter dem Einflusse der lateinischen Über-
lieferung stand, den Krieg geradeso als eine Betätigung des Stats-
lebens, als ein Mittel der Statskunst auffaßte, wie es die Byzantiner
getan hatten. Dvch wenn im Osten für die „Statswissenschaft der Tat"
vor allen Dingen nach praktischen Behelfen gesucht wurde, die man
am besten in den strategischen und taktischen Schriften der Alten zu
sinden überzeugt war, so vertiefen sich die Forscher des Abendlandes,
den Jmpulsen ihrer germanischen Blutbeimischung folgend, sofort in
die schwierigen Probleme über die Weltstellung des Krieges, über sein
Verhältnis zum Christentum, znm Völkerrecht, zur Lehnsverfassung;
sie erwägen die besondere Berechtigung des Krieges gegen die Un-
gläubigen und setzen diesem den Krieg zwischen den Glanbensgenossen
als unberechtigt entgegen; sie verlangen bald nicht nur den Land-
frieden, sondern den Weltsrieden, oder sie beschäftigen sich doch mit
den Mitteln zur Einschränkung, zur Milderung, zur Humanisierung
des Krieges.
Daneben kommen eigentlich kriegswissenschaftliche Gegenstände
sehr spärlich zur Geltung, anfangs nur in den Encyklopädien, welche,
entsprechend dem Unternehmen Konstantins VII. sß 9j, namentlich von
französischen Königen während des 13. und 14. Jhdts. angeregt und
von hervorragenden Geistlichen bearbeitet wurden; dann in den
literarischen Nachklängen der Kreuzzüge, welche zu neuen Waffentaten
im heiligen Lande aufrufen und die Mittel dafür nachweisen wollten.
— Auf jene encyklopädischen Arbeiten stützt sich besonders die erste kleine
deutsche Abhandlung über Kriegskunst, welche nach der Niederlage
von Sempach der Dechant Johann der Seffner schrieb. — Die
Heeresverfassungen decken sich wesentlich mit den Feudalverfassungen;
doch erläßt man schon im 12. Jhdt. für bestimmte Gelegenheiten
besondere Heeresgesetze, und im 14. Jhdt. treten neben die Schristen