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Jahrbuch der Baukunst und Bauwissenschaft in Deutschland — 1.1844

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Menzel, Carl August: Geschichtliche Entwicklung des Formenwesens teutscher Baukunst von ihrem Ursprunge bis auf die neueste Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.19236#0086
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Geschichtliche Eittiricklung

allerdings iiberflüsfig.) Er war ferner der Erste, welcher die gegenseitigen
Beziehnngen der Baustyle erkannte, und zugleich ebenfalls oer Erste,
welcher unsern Laterländischen Baustyl mit schöpferischem Geiste durcki-
drang, so daß er im Stande war, den Riesenvom für Berlin, als
Denkmal der Befreiungskriege, zu entwerfen; jedoch ist dieses Denkmal
weder gebaut worden, noch im Stich erschienen, bekanntlich ein ganz ge-
wöhnliches Schicksal architektonischer Entwürfe, da die Baumeister nicht
Geld genug haben, um ihre Erfindungen sür eigne Itechnung verwirk-
lichen zu können. Wir bemerken ferner, wenn wir die Schinkel'schen Eiu-
trürfe zur Hand nehmen, bei den srüheren derselben ein Bestreben, sich
eines eigenthümlichen, zwischen dem Mittelallerlichen und Anriken stehen-
den, Styles zu bemächtigen; bis vom Bau des Berliner Theaters an
das bei römischer Anordnung mehr griechische Formenbildung im Ein-
zelncn zeigt, Schinkel's Richtung entschieden mehr nach der griechischen
Antike hinstrebt. Einzelne Entwürfe, welche im mittelalterlichen Style,
nne die Werder'sche Kirche, dazwischen fallen, entjcheiden hier nichts für
das Ganze, und nach dem Bau des Berliner Museums emschloß sich
Schinkel, nur wenn es ausdrücklich verlangt wurde, Entwürfe im mirtel-
alterlichen Baustyle zu liefern; wie eine schöne Kirche im altteutschen Sryl
für die Kaiserin von Rußland. Der Entwurf des Pallastes des Königs
Otto zu Athen gab Schinkel Gelegenheit, zu zeigen, wie er ganz in an-
tikem Geiste zu schaffen verstehe, so wie er in der Berliner Sieges-Kirche
mit dcn besten altteutschen Monumenten auf das Glücklichste gewettei-
fert hatte.

Nach dem eben Angeführten mußte Schinkel, wenigstens für stch,
zu der Nebcrzeugung gelangt sein: daß eine Verschmelzung des mittelalter-
lichen StyleS mit der griechischen Antike nicht durchzusetzen sei, welches
wir ihin gern glauben wollen. Ferner mußte sich noch die Ansicht bei
ihm entschied.n haben, daß ein teutscher National - Baustyl für unsere
jetzigen Verhaltnisse sich ebenfalls nicht durchsühren lasse, und dcshalb
wendete sich sein Genius zuletzt entschieden und allein der griechischen
^lntike zu.

Schlimm für unsere Kunst, wenn solche Männer, an der Möglich-
keit volkSthümlicher Bauformen zioeiselnd, sich damit begnügen, Fremdar--
tigem anzuhäugen.

Fremd aber ist uns Griechisch und Nömisch, fremd und für unsere
Dcnkweise gänzlich todt ist uns der altteutsche Styl, und in allen solchen
Räuiuen wird uns so sein, als wären sie nicht für uns gebaut. Wie
sollen wir denn abcr bauen?
 
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