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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0048
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28

Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

Um die Wende des XIV. und XV. Jhs. verbreitet sich diese neue höfische Ikonographie
über den ganzen westeuropäischen Länderkomplex. In England und den Niederlanden, in
Deutschland (insbesondere in Böhmen und Tirol) und Italien (insbesondere Oberitalien
und Piemont) können wir überall gewaltige Spuren dieses französischen Einflusses wahr-
nehmen. Unsere Fresken in Trient bilden nur ein Glied in der Kette dieser Zusammenhänge.
Wir dürfen uns jedoch nicht verleiten lassen, einzig und allein auf Grund ikonographi-
scher Übereinstimmungen stilistische Ableitungen vornehmen zu wollen. Die Unter-
suchung über den stilistischen Zusammenhang-, über den Ursprung des neuen Stils und
den territorialen Weg, den die Kunstströmung nahm, soll einem späteren Kapitel vorbe-
halten bleiben.

Die Schule von Verona

Welches ist der Stil der Fresken im Adlerturm? Welcher Schule gehören sie an?
Welche Stilstufe repräsentieren sie uns?

In den bisherigen Besprechungen stehen zwei entgegengesetzte Ansichten einander
gegenüber. Wözl53) schreibt die Fresken einem deutschen Künstler zu, Fogolari54) einem
veronesischen. Wözl nennt zwei Künstler, Bartholomeo und Juan, welche als einzige deutsche
Künstler in den Rechnungsbüchern des Bischofs Bernhard von Cles genannt werden, als
mutmaßliche Urheber des Werkes. Fogolari glaubt, daß einer jener veronesischen Künstler
aus der ersten Hälfte des XV. Jhs., die als die unmittelbaren Vorläufer Pisanellos betrachtet
werden können, die Monatsbilder gemalt habe.

Wözls Hypothese richtet sich selbst und ist als der Diskussion unwürdig aus unserer
Betrachtung zu streichen, da er seine Meinung, die Fresken wären von deutschen Meistern,
einerseits in keiner Weise zu begründen versucht und sie anderseits durch eine Datierung
ins XVI. Jh. kompromittiert. Denn daß wir in unseren, noch ganz in gotischer Formenwieder-
gabe befangenen'Fresken, die sogar noch zahlreiche trecenteske Züge aufweisen, kein Werk
des XVI. Jhs. vor uns haben, bedarf kaum einer ernsthaften Erörterung. Anders steht es
mit der Annahme Fogolaris. Seine Bestimmung hat viel Verlockendes. Die Beziehungen
unserer Fresken zur frühveronesischen Kunst sind sehr zahlreich und in die Augen springend.
Überdies hat man sich gewöhnt und selbst einzelne ernst zu nehmende Kunsthistoriker sind
von diesem Vorurteil nicht ganz freizusprechen, Werke oberitalienischen Stilcharakters, die
höfische Kostüme oder naturalistische Tier- und Pfianzendarstellungen aufweisen, mit der
Etikette „veronesisch" zu versehen.

Trotzdem zeigt sogar Fogolari selbst in seiner Besprechung arges Mißtrauen gegen
seine eigene Bestimmung.

Um dem Problem näher zu kommen, ist es notwendig, daß wir uns vor allem einen
Überblick über die Entwicklung der oberitalienischen Malerei um die Wende des XIV. und
XV. Jhs.-verschaffen.

Wir wenden uns zuerst der veronesischen Kunst zu. Verona hat in der bildenden Kunst
von jeher eine Sonderstellung eingenommen. Während durch das ganze XIV. Jh. der
größte und für die Kunstentwicklung wichtigste Teil Italiens in dem mächtigen Strom

w) Alois Wözl: Das Kastell del Buon Consiglio zu Aquila a Trento e la pittura di costume veronese del prin-
Trient. Mitt. Z. K., N. F., Bd. XXIII, 1897. cipio del quattrocento. Tridentum VIII, Giugno 1905, pag.

54) Gino Fogolari: II ciclo dei mesi nella Torre dell' 173—186.
 
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