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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Editor]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0062
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BETTY KURTH Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

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gedient. Und wenn auch die zahllosen Tierdarstellungen noch etwas hölzern und ungeschickt
sind und die Landschaft, die Architekturen, die Hütten, Häuser und Kaufläden noch nicht
nach den Regeln der Linearperspektive konstruiert erscheinen, so beweisen doch zahlreiche
naturalistische Details, daß die Künstler dieser Blätter die Erscheinungen des alltäglichen
Lebens mit aufmerksamem Blick beobachtet haben und mit objektiver Treue darzustellen
versuchten.

Die künstlerischen Qualitäten der Miniaturen sind nicht sehr hohe. Die Zeichnung er-
scheint oft flüchtig und roh. Trotzdem läßt die Formengebung die Anfänge einer neuen
Entwicklung erkennen, die nichts mit Alti-
chiero gemein hat.

Zwar zeigen einzelne Architekturpro-
spekte noch Reminiszenzen an die Phantasie-
bauten dieses Künstlers. Man vergleiche z. B.
das Blatt „Equitatio" des Wiener Exemplars.
Aber im allgemeinen hat sich die landschaft-
liche Szenerie bedeutend verändert. Sie ist

gewissermaßen zu den primitivsten Formeln 4fj|tB^^ff^Ste
zurückgekehrt. Gebäude mit weggelassener ••^J>*^&^^Ci1ÄJI^,^,'2:
Fassadenwand, schmale Bodenstreifen mit 'XammVcfjy^ <citi^Bm ^^jv^^-it-rnnrnthminäx

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angedeutetem Terrain, Bäume und Sträucher wm^*ffi 'W^j^^-^'^^.»-^^'*^-
und hie und da ein schematischer Papierfelsen 2S^pSJ?0ff*S^

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sind .die Kequisiten, aus denen diese Land- tfii'mautB*a*iüXi> "

schatten zusammengesetzt sind. Die Boden-
vegetation ist noch völlig stilisiert. Dagegen ftUmi^-^i
zeigen die Bäume eine weitgehende natura- fite vin-p (pÄiiivpT

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listiscne Individualisierung- der einzelnen •M-^.rWwnrmmi
Blattformen. Auf einigen Darstellungen E^ltStf

findet sich ein steil ansteigendes Terrain ^^^^rSCT
mit hohem Augenpunkt und schmalem Hori- ^.«immmX
zont, wie insbesondere auf den Taordbildern trfo«i/.i1n.ii.ir«p>
(Fig. 17). Trotz dieser scheinbaren Rück-
entwicklung glauben wir auch hier ein tasten- ^„ÄraX"-^«-^»», J ' „, , 1

des buchen zu sehen nach neuen naturalisti-
schen Ausdrucksmitteln für die Landschafts- Fig. 20 Rom, Biblioteca Casanatense. Kodex Nr. 459
darstellung.

Was die Figuren anbelangt, so zeigen die Gewänder noch wiederholt die Faltengebung,
die für die Schule Altichieros charakteristisch ist. Die steifen, parallelen wie in Holz ge-
schnitzten Faltenzüge, die knapp über dem Boden unvermittelt absetzen83). Überall jedoch
bemerken wir daneben ein Auflösen dieser kubischen Faltenmassen, ein Umrollen der Enden
und Säume, ein Wellen und Schlängeln und Reicherwerden der dargestellten Gewänder,
die sich am untern Rand umbiegen und ihre Bewegung nachschleppend gleichsam auf dem
Boden fortsetzen. Die Modellierung ist nicht mehr so plastisch wie bei Altichiero, sondern
weicher und malerischer. Die Gestalten selbst sind schlanker und zierlicher geworden. Häufig
zeigt sich die gotische Schwingung und Ausbiegung der ganzen Gestalt (Fig. 18). Ins-

83) Vergleiche darüber Manteuffel op. cit. pag. 80.
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission 1911 6
 
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