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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0066
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Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlcrturm zu Trient

I.S

tümlichkeit des geschilderten Stiles, die in allen Werkstattarbeiten wiederkehrt. Noch größer
ist schließlich die Übereinstimmung auf einem Blatte, welches in der neuen Handschrift den
Ziegen (Capra) gewidmet ist (Fig. 28), im Wiener Tacuinum zur Illustration der süßen
Milch (Lac dulce) dient (Fig. 29). Auf beiden Blättern tritt uns die gleiche landschaftliche
Szenerie entgegen. Links schiebt sich eine Hütte in das Bildfeld, die auf beiden Miniaturen
bis auf die geringfügigsten Details, das Flechtwerk, die Art der Strohdeckung, die Dach-
luke, die angebrachten Fenster usw. über-
einstimmt. Daneben ein wiesenähnlicher
Platz, auf dem die Tiere weiden, mit der-
selben stilisierten Vegetation. Im Hinter-
grund ein geflochtener Zaun und eine Hecke fcft
mit Gesträuch als Abschluß. Die Tiere und P
Figuren erscheinen auf beiden Blättern ver- fc.
schieden. Doch findet sich auf beiden derselbe K;
schwarze Bock, der sich mit dem rechten Hin- 1$
terbeine am Kopfe kratzt, ein seltsames Mo-
tiv, dessen Übereinstimmung mehr als einen
bloßen Schulzusammenhang beweist. Hier
muß wohl eine direkte Kopie vorliegen, wenn

nicht, was jedoch bei der Verschiedenheit Sjg| ffl8PBfV1VIUl *1t1,1TUl'W£im cO"

in der Ausführung kaum denkbar erscheint, C'" HBH 'U'P.^J^'CH^mcmJ^r:

das Blatt von derselben Hand gemalt wurde. gTfnrtrum jrfChir cu tun* finn nmd/c Vtlcr
Wir ersehen aus diesen Beispielen, daß »"'^»> foittluta »«- faUcn»? tutiMnmn-

alles, was im vorhergehenden von Stil und ä G&ifw}* Ulu]»citi hnirn ifin,,p„,|ö J$

Eigenart der Tacuinumhandschriften gesagt * 2} Wp|Mn,m , v(„ ;(lö,

wurde, auch auf dieses neue Werk An- 5p- £y vmplvnhim . vln )ttfi].tmtu).

wendung findet. Und insbesondere das zu-
letzt geschilderte Motiv zeigt uns wieder,
wie weitgehende Versuche gemacht wurden,
die Tiere in ihrer spezifischen Eigenart, in
ihrer charakteristischen Haltung und Be- Fig. 23 Rom, Biblioteca Casanatense. Kodex Nr. 459

wegung naturgetreu wiederzugeben. Wenn

wir solche Züge betrachten, erscheinen uns die meisterhaften Tierzeichnungen Antonio
Pisanos nicht mehr als ein unerklärliches Wunder, sondern als etwas notwendig Gewordenes»
als eine selbstverständliche Konsequenz aus einer kontinuierlichen Entwicklung.

Die Schicksale dieses neuen Werkes lassen sich teilweise aus seinem Bildschmucke
ablesen. Es scheint ursprünglich für Gian Galeazzo Visconti von Mailand gemalt worden zu
sein. Darauf deuten die wiederholt in den Randleisten vorkommenden angeketteten Panther
(Blatt 144 recto und 274 recto) und die Taube auf Blatt 21 recto, Tiere, die als charakte-
ristische Embleme dieses Fürsten überliefert sind. Als Vergleich diene die Titelminiatur des
Krönungsmissales Gian Galeazzos89). Da Verona im Jahre 1387 mailändisch wurde, hat diese
Tatsache nichts Verwunderliches.

89) Phot. Alinari Nr. 14501 — Abbildung bei F. Ma- in der Handschrift der Casanatense ohne das Motto „a bon
laguzzt-Vai.eri: Milano. Parte prima. Bergamo 1906. Ita- droit", das sie im Missale trägt,
lia Artistica Nr, 25. pag. 75. Die Taube erscheint allerdings
 
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