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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Editor]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0076
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Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

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gesucht. Durch die einfachsten Mittel, durch bloßes Variieren der Linienführung, sind hier
naturalistische Wirkungen erzielt.

Wie große Vorliebe auch Antonio Pisano für weltliche Szenen und Genremotive hatte,
beweist uns insbesondere das Fresko in Sant Anastasia, das uns die Legende des hl. Georg
nicht nur ganz frei von jedweder hieratischen Überlieferung-, sondern wie eine Illustration
zu einer Renaissancenovelle vor Augen führt, ein Eindruck, der durch die mit aller Sorg-
falt ausgeführten Modekostüme noch erhöht wird.

Pisanos Schaffen, das ich im Rahmen dieser Studie nur allgemein und oberflächlich
besprechen konnte und für das ich, was eine eingehende Stilanalyse betrifft, auf die mehr-
fach zitierte ausgezeichnete Arbeit Manteuffels verweise109), bildet den bedeutsamen Epilog
zur Entwicklung des neuen Stiles in Verona. Pisano begründete keine Schule und fand keine
Nachahmer in seiner Heimatstadt110). Eine neue mächtig-e Kunstströmung, die aus Padua
kam, der Einfluß Mantegnas, eröffnete eine neue Phase auch in der Entwicklung der
veronesischen Kunst.

In den bisherigen Ausführungen haben wir zu beweisen versucht, wie die Geschichte
der veronesischen Malerei bis zur Mitte des XV. Jhs., die wir an einzelnen charakteristischen
Beispielen anschaulich zu machen trachteten, für dieses Kunstzentrum zugleich eine Ge-
schichte der Entwicklung des Naturalismus ist, eine Geschichte des Ringens nach den besten
naturalistischen Ausdrucksmitteln und nach neuen von der Tradition unabhängigen Darstel-
lungsproblemen. —• Während in Toskana im XV. Jh. das Medium der antiken Kunst diesen
neuen Naturalismus vermittelte, nahmen die Maler in Verona die Natur selbst zum Vorbild
und suchten sie mit wachsender Lebenswahrheit, mit wachsendem Verständnis für die orga-
nischen Formen wiederzugeben. Und während die toskanischen Künstler ihr Hauptaugen-
merk auf das Monumentale und Feierliche der religiösen Komposition verwandten und alles
nebensächliche Detail vernachlässigten — es gilt dies nicht nur für die giottesken Künstler,
sondern insbesondere für den neuen Stil des Masaccio — konnten wir in Verona gerade
eine entgegengesetzte Richtung und Gesinnung als wichtiges Charakteristikum hervor-
heben.

Aber noch etwas anderes lehrte uns die bisherige Untersuchung. Innerhalb der geschil-
derten Sonderentwicklung konnten wir mehrere Phasen feststellen. Wir konnten beobachten,
daß wohl eine zu Profandarstellungen und zu naturalistischer Wiedergabe der Objekte neigende
Lokaltradition vorhanden war. Doch so groß auch die nationalen Eigentümlichkeiten er-
scheinen, die allen Epochen gemeinsam sind, so unmöglich dünkt es uns anderseits, Wand-
lungen, wie z. B. die vom Stile Altichieros zum neuen Stile, dessen Anfänge wir in der
Werkstatt der Tacuina beobachten konnten, auf eine autochthone Entwicklung zurückführen
zu wollen. Hier müssen fremde Einflüsse stiländernd gewirkt haben.

Das übrige Norditalien

Bevor wir jedoch den Wurzeln des neuen Stiles nachzuspüren versuchen, müssen wir
uns mit einer andern wichtigen Frage auseinandersetzen. Wie verhält es sich mit der Sonder-
stellung, die Verona der toskanischen Kunst gegenüber einnimmt, im Vergleich mit den
anderen oberitalienischen Provinzen?

1c9) mantkufff.r.: Op. cit.

1IU) Weit stärkere Einflüsse Pisanos lassen sich in der florentinischen und lombardischen Kunst nachweisen.
 
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