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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0077
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Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

Eine entsprechende Umschau und Nachforschung ergibt, daß der neue Stil nicht auf
Verona allein beschränkt war. Fast in allen benachbarten Gebieten Ober-Italiens finden wir
im Rahmen regionaler Eigenart eine ganz analoge Entwicklung111).

Sogar die Vorstufe dieser Entwicklung, die Fresken in Avio, die wir wegen ihrer
starken nordischen Einflüsse etwas ausführlicher besprochen haben, finden ein stilähnliches
Gegenstück in einem Werke der Terra ferma, in dem Freskenzyklus der Loggia dei Cavalieri
in Treviso112). Der ikonographische Inhalt dieser Fresken ist durch Beischriften sichergestellt.
Es werden uns die Kämpfe der Griechen um Troia vorgeführt, in demselben Flächenstil,
den wir bei den Fresken in Avio beobachten konnten, mit demselben höfisch-ritterlichen
Grundton, mit derselben Freude an der Zurschaustellung von sprengenden Pferden, von
Zeittrachten, Waffen, Rüstungen usw., die uns für jene Darstellungen charakteristisch er-
schienen. Auch chronologisch dürften die beiden Zyklen einander nachstehen113).

Treviso ist auch die Heimat eines Werkes, das als Analogon zur Altichiero-Schule hier
angeführt werden mag. Es ist dies der im Museo civico daselbst befindliche Freskenzyklus
aus S. Nicolo, der die Legende der hl. Ursula darstellt und den Schlosser in das Oeuvre des
Tomaso da Modena aufzunehmen versuchte114).

Auch die Richtung der Tacuina-Werkstatt ist im Friaul vertreten. In dem benach-
barten Cividale befindet sich in der Kapelle von San Biagio ein kürzlich aufgedeckter
Freskenzyklus von primitiven Monatsdarstellungen, die, soweit sich aus einer schlechten
Abbildung und den halb zerstörten Resten feststellen läßt, derselben Zeit und Richtung
angehören, wie die Arbeiten der veronesischen Miniatoren115).

Schließlich sei noch in diesem Zusammenhang an die Erzeugnisse der venezianischen
Werkstatt der Embriachi erinnert, die ebenfalls dem oberitalienischen-höfischen Kunstkreis
angehören und neben Illustrationen zur ritterlichen Dichtung zahlreiche naturalistisch be-
obachtete Jagd- und Tierdarstellungen aufweisen116).

Ganz ausg-ebildet tritt uns der neue gotische Stil in einem Werk entgegen, von dem
.ich wegen seiner stilistischen Eigentümlichkeiten etwas ausführlicher sprechen möchte. Es
handelt sich um die Blätter eines Skizzenbuches, das sich gegenwärtig im Kupferstich-
kabinett der Galleria Corsini zu Rom befindet und welches, allem Anscheine nach das Werk
eines Miniators, kirchliche und höfische Darstellungen, Tier- und Architekturstudien ent-
hält 117). In einer ausführlichen Arbeit hat Giulio Bariola das Werkchen besprochen und be-
schrieben und es als Produkt der veronesischen Kunst vom Anfang des XV. Jhs. be-

lu) Auch in Parma, Padua — hier verweise ich auf
die um 1420 entstandenen Fresken im Salone —, Ferrara
und Florenz finden sich Werke des neuen Stiles. Insbeson-
dere bildete der Umbro-Florentiner Gentile'da Fabriano ge-
wissermaßen die Brücke für die neue Richtung zwischen
Oberitalien und Toskana. Sein bedeutendstes "Werk, das die
Merkmale des neuen Stils zeigt, die Anbetung der Könige
in der Akademie zu Florenz, entstand im Jahre 1423, also
zu einer Zeit, in der Gentile die Kunst Oberitaliens, wo er
jahrelang selbst tätig war, kennen gelernt hatte. Und als
Produkt des Oberitalienischen Einflusses müssen wir die
Anbetung der Könige auch betrachten. Vergl. darüber Man-
teuffkl, op, cit. pag. 86 ff.

112) Jur.. v. Schlosser, Tomaso da Modena und die
ältere Malerei in Treviso. Jahrbuch d. Samml. d. Allerh.
Kaiserhauses. Band XIX, pag. 246.

ll3) Jul. v. Schlosser (op. cit. Jahrbuch d. Samml.
d. Allerh. Kaiserhauses Band XIX), datiert den Zyklus in
Treviso um 1313.

lu) Schlosser op. cit. Jahrbuch d. Samml. d. Allerh.
Kaiserhauses. Band XIX. Vergl. auch Paul Schubring:
Altichi ero und seine Schule.

115) Prof. v. Schlosser war so gütig, mich auf diese
Fresken aufmerksam zu machen, doch habe ich sie leider
im Original nicht gesehen.

Jul. v. Schlosser: Die Werkstatt der Embriachi
in Venedig. Jahrbuch d. Samml. d. Allerh. Kaiserhauses,
Band XX.

11T) Das Werk enthält 30 lose Blätter, die auf beiden
Seiten Zeichnungen tragen. Das Format des einzelnen Blat-
tes beträgt 132 mm Höhe, 97 mm Breite.
 
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