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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0079
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Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

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stimmt118). Sein Hauptargument für diese Zuschreibung bildet der Hinweis auf die dar-
gestellten Szenen des höfischen Lebens, die genremäßig aufgefaßten Legenden, die Jagd- und
Tierzeichnungen, Eigentümlichkeiten, die auch er als Kennzeichen der veronesischen Kunst
ansieht. Bariola glaubt auch in den dargestellten Architekturen Anklänge an die Bauten
in den Werken Altichieros und Avanzos und Reminiszenzen an reale Bauwerke Veronas zu
erkennen und motiviert schließlich die auf Blatt 9 verso befindliche deutlich charakterisierte
Zeichnung des Markuslöwen mit der Tatsache, daß eben Verona im Jahre 1405 unter
venezianische Herrschaft gelangte. Nun sind ja sicherlich aus dieser Zeichnung- nicht weit-
gehende Schlüsse zu ziehen119). Aber immerhin mag sie uns ein Fingerzeig sein, vor allem
andern zu untersuchen, ob wir, nachdem an dem oberitalienischen Charakter der Zeichnungen
kein Zweifel besteht, den Künstler nicht in Venedig selbst zu suchen haben.

Bei Betrachtung der Skizzen fällt uns als Erstes und Eigentümlichstes die merkwürdige,
man kann sagen, impressionistische Lichtbehandlung ins Auge. Die Konturen, soweit sie
nicht durch spätere rohe Nachbesserungen entstellt sind, zeigen feine Silberstiftlinien. Die
Schatten sind in zarter Weise laviert. Die eigenartig malerische Wirkung der Zeichnungen
jedoch entsteht erst durch kräftige flott hingesetzte weiße Lichter (wie z. B. auf Fig. 33—35),
die sogar bei einzelnen Blättern die ganze Funktion der Modellierung tragen. In Verona
haben wir weder in der Malerei noch unter den bisher bekannten Zeichnungen irgend ein
Analogon für diese merkwürdige Technik, das zum Vergleich herangezogen werden könnte.
Anders steht es in Venedig. In der italienisch-byzantinischen Kunst Venedigs begegnen
wir wiederholt ähnlichen koloristischen Wirkungen und einzelne Mosaiken in S. Marco,
insbesondere im Chor und in der Mittelkuppel weisen dieselben impressionistisch aufgesetzten
weißen Lichter und Höhungen als Unterstützungsmittel der Modellierung auf120). Es liegt
mir ferne, unsere Zeichnungen mit den viel älteren Mosaiken in unmittelbaren Vergleich
stellen zu wollen, aber mit ganz ähnlichen Mitteln sind hier wie dort ähnliche Wirkungen
erzielt und wie sehr gerade in Venedig die byzantinische Tradition auf die spütere Kunst
gewirkt hat, ist ja häufig beobachtet und nachgewiesen worden.

In der Akademie in Venedig befindet sich eine Serie von Zeichnungen von einer
schwächeren Hand (Schaukasten I, Blatt 1 —15), unter denen insbesondere Blatt 1 (Taf. XI),
das figürliche Darstellungen aufweist, dieselbe Technik und Lichtbehandlung zeigt, wie
unsere Skizzen121). Wir gehen wohl nicht irre, wenn wir diese Zeichnungen der Gruppe
unseres Skizzenbuches anreihen, da sie in Technik, Stil und Kostüm viele Analogien auf-
weisen und überdies die auf Blatt 1 rechts unten befindliche Zeichnung der Spes mit der-
selben Darstellung auf Blatt 17 verso in unserem Skizzenbuch (Taf. XII 1) eine in Kostüm
und Haltung fast völlige ikonographische Übereinstimmung zeigt122).

lls) Giui.io Bariola: Quaderno di disegni del prin-
cipio del secolo XV. di un maestro dell' Italia settentrio-
nale. Gallerie nazionali Italiane vol. V.

119) Barioi.a glaubt auch auf der Zeichnung des
Brunnens Blatt 13 verso Markuslöwen mit den Evan-
gelienbüchern zu sehen. Dies ist allerdings ein Irrtum.
Die Löwen halten Wappenschilde und sind durchaus nicht
in der charakteristischen Stellung und Haltung des Markus-
löwen geg eben. Auch auf Blatt 4 und 5 recto (Fig. 34)
befinden sich zwischen den Spitzgiebeln an der Seitenfassade
der dargestellten Kirche je zwei sitzende Löwen.

12°) Vergl. PAUi. Bubkri.: Die romanischen AVand-
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission iqn

maiereien im Kloster Nonnberg in Salzburg. Kunsthisto-
risches Jahrbuch der Z. K. 1909.

121) Da die Majorität der Zeichnungen Tierdarstellun-
gen aufweisen, wurden sie bisher ebenfalls der veronesischen
Kunst zugeteilt, doch wurden sie meines Wissens weder
jemals in der Literatur besprochen, noch publiziert.

122) Eine ähnliche Technik wie die hier beschriebene
zeigen auch spätere venezianische Zeichnungen. Als charak-
teristisches Beispiel nenne ich hier die Zeichnung in der
Albertina S. V. 16. Allerdings zeigen auch florentinische
Zeichnungen des XV. Jhs. eine ähnliche technische Behand-
lung.

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