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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0127
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IOO

Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

Zusammenhanges unmöglich in Wirklichkeit sein können. Ähnliches läßt sich an allen
übrigen Tieren beobachten. Man vergleiche das Profil des zu äußerst links befindlichen
Hundes oder die Extremitäten des vordersten, die auf der Kopie unproportioniert ver-
größert erscheinen oder schließlich die einzelnen Köpfe, die auf der Miniatur je nach den
Rassen naturalistisch differenziert sind, mit der schwächlichen Nachbildung des Kopisten.
Auch wirkt der dunkle Hund, der mit offenem Maul in die Luft schaut, auf der Kopie ganz
unverständlich, während auf dem Original seine Stellung- durch den Jäger, der ihn bei den
Ohren hält, motiviert erscheint. Schließlich wurde auch die eigenartige, wechselvolle Licht-
und Schattenverteilung vom Kopisten mißverstanden und durch den Mangel jeglicher Terrain-
andeutung scheinen die rückwärts befindlichen Hunde in der Luft zu schweben. Es sind
dies lauter Züge, die vereint den Beweis erbringen, daß die Zeichnung' im Skizzenbuch zu
Bergamo eine Kopie darstellt.

Es erübrigt uns also nur noch, die Frage zu erwägen, ob beide Darstellungen auf ein
gemeinsames älteres Original zurückgehen oder ob der Zeichner des Skizzenbuches das
Kalenderbild selbst als Vorbild benutzte. Mir erscheint die letztere Eventualität als die
wahrscheinlichere. Die Gruppe gliedert sich so selbstverständlich in Stil und Komposition
dem Werk der französischen Künstler ein und scheint überdies so deutlich mit den drei
Jägern als einheitliches Ganzes zusammenkomponiert, daß wir gar keine Ursache haben an-
zunehmen, die Tiergruppe sei nach einem unbekannten Original kopiert. Der rein franzö-
sische Charakter der Kalenderbilder gegenüber den mehr italienisierenden Kompositionen
der übrigen Miniaturen des Gebetbuches ist ja oft mit Recht hervorgehoben worden. Und
die Tatsache, daß wir in einem italienischen Skizzenbuch, welches — wie wir betont haben —
eine Kompilation aus ganz verschiedenen Elementen darstellt, derselben Zeichnung be-
gegnen, genügt nicht, um eine so weit hergeholte Möglichkeit zu rechtfertigen. Auch
chronologisch bietet unsere Annahme keine Schwierigkeit. Die Kalenderbilder sind zwischen
1410 —1416 entstanden, während das Skizzenbuch Zeichnungen enthält, die sicher einem
späteren Zeitpunkt angehören. Es scheint somit nichts gegen die Vermutung zu sprechen,
daß die Zeichnung in Bergamo eine Kopie des französischen Kalenderbildes wiedergibt
und es ist höchstens in den Bereich des Möglichen zu ziehen, ob nicht eine zweite Kopie
dieses zu seiner Zeit sicherlich höchst berühmten Werkes zwischen der Skizze und dem
Original eine Vermittlerrolle spielte. Doch ist diese letztere Frage für unser Problem ohne
Belang.

Wichtig ist nur, daß hier eine neue unmittelbare Beziehung zwischen der oberitalienischen
Kunst und dem Künstlerkreis des Herzogs von Berry gefunden wurde.

Nach den bisherigen Erörterungen kann es uns nicht mehr rätselhaft erscheinen, daß
wir auch in den Monatsbildern in Trient die Kunstprinzipien der französischen Kunst' als
wichtiges, stilbildendes Element erkannt haben. Und wahrscheinlich sind es auch hier
französische Kalenderillustrationen gewesen, die Einfluß geübt haben.

Wenn sich auch im einzelnen vorläufig keine direkten Entlehnungen und Uberein-
stimmungen nachweisen lassen, so deutet dennoch der allgemeine Stilcharakter, die Formen-
wiedergabe in allen bereits geschilderten Einzelheiten, die Gesichtsbildung, die Falteri-
behandlung, die Landschaftsdarstellung und die ganze Art der Komposition auf den Einfluß
der neuen französischen Kunst hin. Es würde uns nicht befremden, wenn wir Figuren, wie
die des Edelfräuleins auf der Weinlese oder die der rechts befindlichen Dame auf dem
unteren Bildplan des August in einer französischen Miniatur wiederfänden. Auch die naturalis
 
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