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Studien zur Entwicklungsg'eschichte der Architektur
und Plastik des XV. Jahrhunderts in Dalmatien

Von Hans Folnesics

Die allgemeine, bisher in der Literatur herrschende Meinung' über das Eindringen der
Renaissance in die dalmatinische Architektur läßt sich etwa dahin zusammenfassen, daß Dal-
matien ein sehr zurückgebliebenes Land sei, in dem der romanische Stil bis ins hohe XIV. Jh.
in Übung geblieben sei, daß die Gotik hier nie festen Fuß hatte fassen können und daß endlich
durch zwei Meister die Formen der Renaissance an die Ostküste der Adria verpflanzt worden
seien. Der eine von ihnen sei Giorgio Dalmatico oder da Sebenico, der dem venezianischen
Kunstkreis entstammte, der andere, Michelozzo, der Genosse Donatellos, der eines Festungs-
baues halber in den Sechzigerjahren des XV. Jhs. nach Ragusa berufen worden ist. Wenn
diese Auffassung auch in manchen Punkten mit der tatsächlichen Entwicklung überein-
stimmt, so bedarf sie doch einer genauen Überprüfung, die nach vielen Seiten hin zu Richtig-
stellungen und Erweiterungen führen wird.

Vor allem herrscht über den Anteil Michelozzos an den Monumentalbauten Ragusas
völlige Unklarheit. An erster Stelle steht unter diesen Bauten der Regierungspalast der
Republik, der Pallazzo dei Rettori, der, durch eine Pulverexplosion im Jahre 1462 be-
schädigt, restauriert werden mußte. Einer stets falsch gelesenen Eintragung in den Rats-
protokollen zufolge sollte dies nach einem Parere des Michelozzo geschehen sein.

Damit war die Möglichkeit gegeben, über die Tätigkeit Michelozzos in Ragusa die
kühnsten Hypothesen aufzustellen, sein tatsächliclier Anteil am Rektorenpalast ist aber nie-
mals klar geschieden worden. Während einige glauben, daß der Palast in seiner Gestalt
von 1437 fast unverändert bestehen blieb, meinen andere1), daß der Palast von einheimischen
Künstlern umgebaut wurde und Michelozzo nur ein Gutachten abzugeben hatte, Schmarsow2)
endlich will fast den ganzen Bau, auch in seinen gotischen Teilen, Michelozzo zuschreiben.
Giorgio Dalmatico hätte indessen den noch gotisch begonnenen Dombau von Sebenico in
den Formen der venezianischen Frührenaissance weitergeführt.

Die Renaissancearchitektur sei dann in einem Lande, in dem kein gotischer Einsclilag
die Entwicklung vom romanischen Stil zur Renaissance unterbrochen hätte, besonders leicht
eingedrungen3).

Von einheimisch-dalmatinischen Gelehrten wird hingegen die Anschauung vertreten,
daß sich aus dem stets lebendigen Vorbilde des diokletianischen Palastes in Spalato bei
den Künstlern unwillkürlich die Tendenz ausgebildet habe, diese antiken Formen nachzu-
bilden und sie erklären demzufolge die Renaissance in Dalmatien für eine einheimische,
mit der italienischen Renaissance parallel laufende Entwicklung, ja, manche von ihnen gehen

') Jackson in Annuario Dalmatico II S. 19311. 3) Vgl. für diese Ansicht die Einleitung in Roifs,

-) Archivio storico VI S. 203 ff. Franz Laurana.

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