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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 1.1883

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Kenner, Friedrich: Römische Medaillons, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5609#0074

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02 Friedrich Kenner.

Stämpelschneider berechneten und daher für die richtige Beurtheilung seiner Arbeit nothwendigen Momente
gerecht werden.

Ueber den alten Bestand der Sammlung bis zum XVIII. Jahrhundert lässt sich ein sicherer Nachweis
nicht geben. Es fehlen hierüber Aufzeichnungen; der Rückschluss aus späteren Inventaren reicht nicht
aus, da man in älterer Zeit griechische und römische Medaillons und die Contorniaten zusammenwarf;
auch haben in älterer Zeit zu wiederholten Malen Ausscheidungen von Doubletten, von falschen oder
verdächtigen Stücken stattgefunden, von denen späterhin manche wieder eingelegt wurden, ohne dass
über solche Aenderungen Notizen gemacht worden wären. Im Allgemeinen kann nur als Richtschnur
gelten, dass die meisten jener Exemplare, bei welchen in der folgenden Beschreibung Provenienzangaben
fehlen, dem alten Besitze angehören.

Die erste grössere Erwerbung, über welche wir unterrichtet sind, betrifft die Sammlung der Kart-
häuser in Rom.1 Von dem Generalprocurator P. de Rochefort gebildet und nach seinem Tode Kaiser
Karl VI. angeboten, wurde sie von diesem um eine grosse Summe Geldes angekauft, sammt den von
Gaetano Piccino gestochenen Platten, welche für eine Publication der Medaillons vorbereitet waren. Der
Ankauf geschah in den zwanziger Jahren des XVIII. Jahrhunderts, sicher vor 1729. Missliche Umstände
schädigten den Ruf dieser Sammlung. Eine Prüfung derselben, als sie in Wien eingetroffen war, ergab
nach dem Urtheile des kaiserlichen Hof bibliothekars v. Garelli und des kaiserlichen Antiquars (wahrschein-
lich Panagia) 175 Münzen und 25 Medaillons, welche falsch oder verdächtig waren. Auf den Platten
waren alle Medaillons weit über Naturgrösse gezeichnet, manche Details missverstanden, die Inschriften,
die wahrscheinlich von zweiter Hand nachträglich eingestochen wurden, ungenau und durchaus willkür-
lich eingestellt.2 Dazu kam, dass der kaiserliche Kammermaler Daniel Bertoli, welcher vom Kaiser nach
Rom gesendet war, um die Sammlung zu übernehmen, sich durch das Andringen der römischen Anti-
quare bewegen liess, ihnen zu gestatten, zum Zwecke von Studien einige Abdrücke der Platten machen
zu lassen. Ohne das schon damals auf den neuen hohen Besitzer übergegangene Eigenthumsrecht auf die
Platten zu respectiren, gab man die Abdrücke davon in Rom heraus;3 allerdings war diese römische Auf-
lage von beschränktem Umfange, immer aber genügend, durch die schlechten Abbildungen und die
falschen Stücke Irrthümer zu verbreiten. Es wurden, um dies zu verhüten, so viele Exemplare angekauft,
als man erlangen konnte; auch stellte Garelli als Warnung für die Gelehrten den Sachverhalt in einem
Schreiben an den Präfecten der königlichen Bibliothek in Paris, Abbe Bignon, dar, welcher die Mittheilung
im «Journal des Scavans» abdrucken liess.4

So sehr dieses Vorgehen der literarischen Welt gegenüber geboten war, so wurde damit doch auf
die neue Erwerbung ein ungünstiges Licht geworfen; die Makel, viel Unechtes zu enthalten, haftete ihr
durch lange Zeit an und erfüllte mit Misstrauen gegen die ganze Reihe der damals angekauften Medaillons,
umsomehr, als die Tafeln aus dem Verkehr gezogen waren und also jeder Behelf mangelte, das in Wien
gefällte Urtheil zu controliren und andererseits den grossen Gewinn zu ermessen, welchen die übrigen
vorzüglichen und unbestritten echten Stücke brachten; im Vergleiche zu diesen ist in derThat der Schaden,
den die Falsa und die unsaubere Geschichte mit den Platten verursachten, verschwindend klein, zumal
wenn bedacht wird, dass man beim Ankaufe ganzer Sammlungen ja stets Gefahr läuft und darauf gefasst
sein muss, für echt gehaltene Falsa mitzuerwerben.

1 Vgl. Jos. Bergmann, Pflege d. Numismatik in Oesterreich im XVIII. Jahrh. Sitzungsber. der k. Akad. d. Wissensch.
phil.-hist. CI. XIX, 35 f.

2 Die Schuld davon scheint nicht so sehr auf Seite des Künstlers, als der Auftraggeber zu liegen, welche im Sinne
damaliger Anschauungen, die auch in anderen Werken sich geltend machten, nicht Copien von Münzen, sondern an und für
sich schöne Bilder geben wollten. Die Tafeln zu Venuto's, von Papst Clemens XII. unterstütztem Werke über die Medaillons
des Vaticans (Mus. Albani), welches 178g erschien, hat Piccino weit genauer und richtiger gearbeitet; offenbar war er durch
das Urtheil, welches seine Tafeln zur Karthäuser Sammlung erfuhren, auf eine richtigere Bahn geführt worden.

3 Numismata aerea maximi moduli primique duodeeim Augusti ex auro dudum Romae in coenobio Carthusiae nunc
Viennae Austriae in Gaza Caesarea (ohne Ort und Jahr). Das Werk enthält 1 Tafel Goldmünzen und 88 Tafeln Medaillons

4 T. 89, p. i32 (September 1729).
 
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