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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 12.1897

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Graef, Botho: Die Amazonenstatuen des Kresilas und Polyklet
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https://doi.org/10.11588/diglit.39821#0097
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Graef, Die Amazonenstatuen des Kresilas und Polyklet.

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Lesart der jüngeren Handschriften, zu Grunde legen. Doch soll erst abgewartet
werden, ob sich die neue Grundlage bewährt, ehe auf ihr weiter gebaut werden kann.
Wem aber gehört die Amazone vom I. Typus (Berlin-Lansdowne-Sciarra)?
Es ist sicher der älteste, es liegt nahe ihn dem Künstler zuzuweisen, welcher unter
den überlieferten Namen vermutlich der älteste ist, das ist Kresilas. Besäfsen wir
kein Werk des Kresilas, so müfsten wir durchaus so schliefsen, und die Amazone
würde sogar die Grundlage unserer Kenntnis der Kunst des Kresilas werden müssen.
Und ein gegen allen Zweifel gesichertes Werk des Kresilas besitzen wir auch nicht;
denn der von Furtwängler auf Grund des erhaltenen Basisstückes geführte Beweis —
Meisterwerke S. 270 — dafs das Werk des Kresilas eine Herme gewesen sein müsse,
ist so eben (Jahrbuch XI, 107) von Bernoulli angegriffen worden. Aber auch so
bleibt es ja natürlich höchst wahrscheinlich, dafs die einzigen uns erhaltenen Porträts
des Perikies auf sein berühmtestes Porträt, nämlich das auf der Athenischen Burg
aufgestellte, zurückgehen. Es mufs also jedenfalls geprüft werden, ob beides Werke
desselben Künstlers sein können. Dafs sie aus derselben Zeit sind, wird jeder ohne
weiteres zugeben. Dafs sie von demselben Künstler sind, halte ich wenigstens für
möglich, doch dergleichen Urteile sind — wenn auch nicht »subjectiv« wie man oft
hören mufs — so doch individuell. Und ohne eine Möglichkeit, das gesamte Repliken-
material der Amazone mit den Perikiesköpfen zu confrontiren, wird man zu einem
Beweise nicht schreiten können. Was mir neben der allgemeinen Übereinstimmung
in der Anlage des Kopfes, der Behandlung der Haare, dem eigentümlich länglichen
gestreckten Gesicht besonders auffallend gleich erscheint, ist die Behandlung der
Wangen: es sind etwas hagere langgestreckte Wangen, die sich an schmale feine
Backenknochen anlegen, nirgends eine Spur von Rundlichkeit oder gar Fülle. Für
mein Empfinden wird der so aufserordentlich vornehme Eindruck des Perikieskopfes
wesentlich durch diese Wangen bedingt. Man kann ja nicht sagen, dafs sie irgend-
wie reich modellirt seien, im Gegenteil, sie sind noch sehr einfach, fast leer ge-
halten; was hier künstlerisch so stark wirkt, ist die Feinheit der Anlage und das
richtige Mafs zwischen Stärke und wirklicher Magerkeit. Ich würde nicht allzuviel
darauf geben, wenn es nur die Form als solche wäre, die in beiden Köpfen über-
einstimmt; das Entscheidende scheint mir vielmehr zu sein, dafs die gleiche P'orm
auch den gleichen künstlerischen Eindruck macht: auch der charakteristische Reiz
des Kopfes der Amazone scheint mir wesentlich durch diese Wangen bedingt zu
sein; sie sind so ganz frei von jedem weiblich-jugendlichen Schwellen und doch
nicht schwächlich oder kränklich. In Verbindung mit den übrigen noch etwas alter-
tümlichen und derben Formen geben sie dem Kopfe seinen vornehmen herben
Reiz. Von den übrigen Einzelformen widerspricht nichts der behaupteten Ähnlich-
keit: die schlechte Vatikanische Replik des Perikies hat wenigstens von der Nase
noch so viel mehr erhalten, um in deren Ansatz eine charakteristische übereinstim-
mende Bildung zu liefern. Doch wie gesagt, die Vergleichung beider Kopftypen
erfordert eine breitere Grundlage, als bisher irgend ein Museum bietet.
Aber ein ganz anderer Punkt ist hier noch zu beachten: die Überlieferung
 
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