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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 16.1901

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Dörpfeld, Wilhelm: Die vermeintliche Bühne des hellenistischen Theaters
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https://doi.org/10.11588/diglit.47180#0033
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Dörpfeld, Die vermeintliche Bühne des hellenistischen Theaters.

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Obwohl ich schon mehrmals dargelegt habe, dafs für eine so durchgreifende
Änderung des Spielplatzes in jener Epoche keine Veranlassung vorlag, und dafs
sich auch keine einzige der von Bethe angenommenen Zwischenstufen zwischen dem
bühnenlosen Theater des fünften Jahrhunderts und dem Bau mit hoher Bühne des
vierten und dritten Jahrhunderts an den Theaterruinen oder aus der Litteratur nach-
weisen läfst; obwohl ich ferner mathematisch bewiesen habe, dafs eine Bühne von
mehr als 5 Fufs Höhe als sehr mangelhaft bezeichnet werden mufs und nur dann
überhaupt zuläfsig ist, wenn die Sitzreihen der Zuschauer nicht bis zum Orchestra-
boden hinabreichen; obwohl ferner die Gestalt und die Ausstattung des hellenistischen
Proskenion selbst laut gegen die Bethesche Deutung als Bühne und für meine Er-
klärung als Hintergrund spricht; obwohl endlich schon das Wort Proskenion, das
ursprünglich eine Vorskene, also eine vor der Skene befindliche Dekoration, aber
nicht jedes beliebige vor der Skene befindliche Ding bedeutet, für die ältere Zeit
die Erklärung des Proskenion als Bühne ausschliefsen sollte, — trotz alledem hält
Bethe auch jetzt im allgemeinen an seiner Ansicht fest und glaubt sie überdies
durch den Hinweis auf eine vermeintliche Abbildung einer griechischen Bühne auf
einer Vase des vierten Jahrhunderts neu stützen zu können.
Bevor ich es unternehme, diese neue Stütze auf ihre Tragfähigkeit zu unter-
suchen und festzustellen, ob sie wirklich den schwankenden Bau der Betheschen
Theorie vor dem Zusammensturz zu bewahren vermag, kann ich mir nicht versagen,
schon hier auf den Schlufs des Betheschen Aufsatzes hinzuweisen, weil dort eine
Ansicht ausgesprochen wird, die mir von dei* gröfsten Wichtigkeit für unsere Streit-
frage zu sein scheint. Ich finde darin ein meiner Auffassung gemachtes Zugeständnis,
von dem ich glaube, dafs es in den Augen aller Unparteiischen die ganze Streit-
frage zu entscheiden geeignet ist.
Im letzten Abschnitte seines Aufsatzes behandelt nämlich Bethe die Auf-
führungen der griechischen Opern, der Dithyramben. Er weist überzeugend nach,
dafs bei ihnen neben einem grofsen Chor gewöhnlich ein oder zwei Solisten auf-
traten, die ähnlich wie die Schauspieler der gewöhnlichen Dramen gekleidet waren.
Der Unterschied zwischen einem solchen Dithyrambos und einem Drama war in
einigen Fällen so gering, dafs z. B. der Dithyrambos »Kyklops oder Galateia«, wie
Bethe selbst hervorhebt, von einigen als Drama bezeichnet werden konnte.
»Denkt man sich«, so lesen wir nun bei Bethe S. 81, »dies und andere
Werke derselben Art im hellenistischen Theater aufgeführt — und sie sind da wirk-
lich aufgeführt worden: Polyb. IV 20, 9 — so ist klar, dafs das Proskenion als
Hintergrund diente und je nach Bedürfnis durch Ausheben und Einsetzen von Pinakes
verändert wurde, die Solisten gelegentlich auch innerhalb dieser Dekoration agierten.«
Und weiter: »Wir haben also im hellenistischen Theater zwei Spielplätze anzu-
erkennen: 1. einen in der Orchestra (δυμέλη) mit dem variabeln, durch Thüren zu-
gänglichen Säulenproskenion als Hintergrund, 2. ein hoch über diesem gelegenes,
nur nach vorn geöffnetes, architektonisch umrahmtes Gehäuse, hinten durch eine
 
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