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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 16.1901

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Hartwig, Paul: Die linke Hand des Diomedes
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https://doi.org/10.11588/diglit.47180#0067
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Hartwig, Die linke Hand des Diomedes.

Linken erhoben; der Körper ist mit einem Peplos bekleidet, welcher bis auf die
Fiifse herab fällt (Fig. i und Fig. 2).
So also haben wir uns, nach Brunns Meinung, die Münchener Statue und
ihre Wiederholungen, die durch bösen Zufall sämmtlich der Arme und der in den
Händen befindlichen Attribute verlustig gegangen sind, zu vervollständigen2. Im
Allgemeinen hat Brunns Hypothese Zustimmung gefunden. Furtwängler hat sie in
seinen Meisterwerken der Griechischen Plastik (S. 316fr.) mit Zuversichtlichkeit an-
genommen, tiefer begründet und ausgebaut. Freilich mufste er sie auch gegen
Widerspruch, der sich inzwischen erhoben hatte, vertheidigen. Flasch besprach in
den Sitzungen der 41. Philologenversammlung die Statue und erklärte, Brunns
Deutung nicht beipflichten zu können. Es sei nicht nur die statuarische Dar-
stellung eines Diomed für die Zeit, welcher das Original angehört (Kresilas),
problematisch, auch äufsere Umstände seien gegen die Deutung geltend zu machen.
Nach Flasch ist die Figur vielmehr als ein Athlet oder ein jugendlicher Krieger an-
zusehen; in der linken Hand habe dieser ähnlich wie der Polykletische Doryphoros
einen Speer geschultert3. Die Gründe, mit denen Furtwängler Flaschs Einwänden
begegnet, werden wohl allerdings den meisten unserer Fachgenossen zwingend
genug erschienen sein, um die alte Benennung »Diomed beim Palladionraube« bei-
zubehalten. Immerhin wäre es erfreulich, wenn der letzte und stärkste Beweis
für die Richtigkeit der Brunn-Furtwängler’schen Hypothese, der Beweis de facto,
erbracht werden könnte.
Ein glücklicher Zufall liefs mich vor einiger Zeit bei einem römischen
Scalpellino unter werthlosen Fragmenten eine sehr schöne, etwas überlebensgrofse
Marmorhand, welche einen Statuettenfufs mit den Resten einer Figur umschliefst,

2) Repliken in heroischer Gröfse sind die Pariser
Statue im Louvre (abgeb. Bouillon, statues III
pl. 2, 3; Clarac pl. 314, 1438; Phot. Giraudon
nr. 1402) und eine verschollene Statue, früher
im Besitze von Mr. Jenning (abgeb. Cava-
ceppi, raccolta I Tav. 9). Eine unterlebensgrofse
Wiederholung befindet sich im Thermenmuseum
zu Rom (vgl. Helbig, Führer I S. 176 nr. 1014,
vom Palatin stammend). Ich fand in letzterer
Zeit zwei weitere kleine Repliken. Die eine
befindet sich im Museum zu Mailand. Kopf,
Arme und Beine von der Mitte des Ober-
schenkels ab fehlen. Das Schwertband ist
plastisch. Das Gewand hängt über die linke
Schulter herab, zieht sich um den Rücken und
ein Zipfel desselben, welcher unter dem rechten
Arme vorgezogen ist, wird durch das Schwert-
band über der Brust festgeklemmt: ein künst-
liches Motiv, welches sicher dem Originale
fremd ist. Die Arbeit ist mittelmäfsig. Weder
Dütschke in seinen Antiken Bildwerken in Ober-
italien, noch Heydemann in den Mittheilungen

aus den Antikensammlungen in Ober- und
Mittelitalien erwähnen den Torso. Vermuthlich
ist er in neuerer Zeit in das Museum gelangt.
Über einen zweiten etwa 2/3lebensgrofsenDiomed-
torso, welchen ich im Mai 1899 ’m Römischen
Kunsthandel sah, machte ich mir folgende
Notizen: »Kopf und beide Arme fehlen. Das
rechte Bein ist von der Mitte des Oberschenkels,
das linke vom Knie abwärts verloren. Das
Schwertband ist plastisch ausgeführt; der vordere
Theil der leeren Schwertscheide ist erhalten.
Das Gewand hängt über die linke Schulter und
ist sehr geschmackvoll angeordnet. Die Pubes,
von vorzüglicher Ausführung, zeigt ziemlich
lange Haarsträhne, welche unten in eine Locke
umbiegen. Noch fast archaische Strenge. Sehr
schöner Marmor, gute Arbeit.« Ich bedauere,
nicht angeben zu können, wo dieses wichtige
und schöne Stück hingekommen ist.
3) Verhandlungen der 41. Philologenversammlung
S. 262 ff.

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