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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 24.1909

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Wolters, Paul; Sieveking, Johannes: Der Amazonenfries des Mausoleums
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https://doi.org/10.11588/diglit.44284#0202
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P. Wolters und J. Sieveking, Der Amazonenfries des Maussoleums.

190

in Boston?6), bei dem namentlich die Art, wie das Gewand sich auf dem Rücken des
Pferdes ausbreitet und unter dem rechten Schenkel der Reiterin durchgezogen ist,
frappant mit der Amazone 24 stimmt. Der prächtige Torso des einen orientalischen
Reiters vom Maussoleum 57) scheint nach der Pferdebildung am ehesten ebenfalls
hierhin zu gehören und gibt dann für die Kunst des Timotheos ein erfreulicheres
Bild als die dekorativen Amazonenreliefs, wobei ebenso wie in Epidauros der Unter-
schied zwischen der eigenhändigen Arbeit des Meisters und der des Gehilfen mit-
sprechen mag.
Nachdem wir also drei der festgestellten Reihen mit dem Namen des Skopas (I),
Timotheos (II) und Bryaxis (III) in sichere Beziehung gesetzt haben, bleibt not-
wendigerweise Serie IV für Leochares übrig. Für diese Zuteilung scheint nun eine
kompositionelle Übereinstimmung mit dem messenischen Relief zu sprechen, in dem
Löschcke mit Recht eine Reminiszenz an das Weihgeschenk des Krateros in Delphi,
die Löwenjagd Alexanders, erkannt hat58). Die eigenartige Drehung des Oberkörpers
bei dem Beilschwinger kehrt ganz ähnlich bei dem Kämpfer 62 auf Platte 1021 wieder,
und ebenso ist das unruhige Flattern des Gewandes und Felles nahe verwandt. Daß
bei der Jagd Alexanders Leochares den Hauptanteil an der Komposition hatte, ist
von Löschcke (S. 192) mit Recht behauptet worden; somit darf die Übereinstim-
mung mit einem so charakteristischen Motiv wohl Beachtung verlangen.
Eine unruhige, lebhafte Komposition, Vorliebe für ungestüme, rasche Be-
wegungen, die mit glücklicher Beobachtung wiedergegeben werden, aber eine gewisse
Vernachlässigung der harmonischen Linienführung und selbst mitunter der richtigen
Proportionen sind also die Eigenschaften, die uns aus dem für Leochares festgestellten
Anteil (IV) am Amazonenfries entgegentreten. Ganz anders Timotheos (II). Seine
Gestalten haben alle etwas Überkommenes; es sind, wie früher dargelegt, fest ge-
prägte, oft verwendete, fertige Typen, die er in überaus geschickter Weise zu gleich-
mäßiger Raumfüllung benutzt. Aber es fehlt seiner Kampfdarstellung in Folge dessen
durchaus die Lebhaftigkeit, allerdings auch die Unruhe des Leochares. Von der wenig
befriedigenden Gruppenbildung haben wir mehrfach gesprochen. Wieder einen
starken Gegensatz bietet Skopas (I). Für ihn ist jede einzelne Gestalt wie neu be-
obachtet und frisch erfunden, aber auch im ganzen Zusammenhang der Handlung
in der Komposition fein berechnet. Bei ihm ist von der beginnenden Erstarrung

56) Ausonia 1908, 98 (Amelung).
57) Catalogue of Sculpture 1045, Brunn-Bruck-
mann Nr. 71.
58) Jahrbuch des arch. Instituts III 1888, 189.
Th. Kluge, Darstellungen der Löwenjagd im
Altertum (Gießener Diss. 1906) 45. Die Ein-
wände Perdrizets J. H. S. XIX 1899, 273 scheinen
uns nicht zutreffend. Es ist nicht überliefert,
daß Alexander in Todesgefahr oder gar in den
Klauen des Löwen dargestellt gewesen wäre.
Aus dem Aaxtüvtxdv drtdcf>ileYpa, das Plutarch
(Alexander 40) mit der Nachricht von der

Löwenjagd zu verquicken gut befunden hat, und
dessen bittere Ironie Willrich (Hermes 1899, 233)
verkennt, ist es auch nicht zu erschließen. Jeden-
falls glaubte Plutarch ein Bild toü ßa<JiX^o>; riö
?4ov~t suv efftÜTo; zu kennen. Fragen
wir aber das erhaltene Weihepigramm, so ist es
vielmehr Krateros, der den Löwen ek yjpa; dv-
rictaav-a, im N a h k a m p f, tötete, und von
einer Lebensgefahr des Königs ist auch hier gar
keine Rede. Für uns darf nur das Epigramm
gelten, und darnach ist der Beilschwinger Kra-
teros.
 
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