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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 30.1915

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Six, Jan: Kalamis
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https://doi.org/10.11588/diglit.44516#0107
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J. Six, Kalamis.

93

.Σκώλος έπει μιν ετυψε ποδος Οέναρ heißt es in dem neuen Aitienfragment; wie von
Wilamowitz-Moellendorff T) treffend erkannt hat, vonHyllos, und wirklich hatsich
unser Knabe gerade das Hohle des Fußes verletzt. So wurde dieser Name der Forderung
gerecht, die Kekule 2) vor Jahren aufstellte, als er »einen bestimmten mythischen
Anlaß« verlangte. Man führe nicht dagegen an, daß der Knabe zu alt sei, um noch,
wie Hyllos bei Kallimachos, von Herakles getragen, an den Zotteln der väterlichen
Brust zu zerren. Der kleine Ödipodes auf einer schönen attischen Amphora, der von

Euphorbos in derselben Weise getragen wird
(Abb. 13)3), hat ganz dieselben Proportionen, und
der Stil dieser Vase steht Kalamis merkwürdig
nahe. Die Falten des Bausches sind identisch mit
jenen des Wagenlenkers und der Algumene, und
wenn daneben noch sonst im Chiton ein älteres
System vorherrscht, so sind die langen geraden
Linien an der Mantelfigur des Königs an der Rück-
seite wie ein schwacher Abglanz der »Aspasia«. -—
Hyllos war keine so kräftige Gestalt wie sein Vater,
und doch haben die späteren Umbildungen des
Dornausziehers in Bronze wie in Marmor 4) uns
in dem derben, urwüchsigen Burschen ein anschau-
liches Bild des Heraklessohnes hinterlassen, das
über die Richtigkeit des Namens keinen Zweifel
läßt. Die Bronze Baron Edmond de Rothschild,
die hier mit seiner gütigen Genehmigung abgebildet
wird (Abb. 14), die durch ihre angebliche Her-
kunft aus Sparta vortrefflich zum vorgeschlage-
nen Namen paßt, scheint noch dem 4. Jahrhundert anzugehören.
Schade nur, daß das Kallimachos-Fragment uns nichts weiteres über die Ver-
wundung lehrt, woraus man ermitteln könnte, weshalb dieser Vorfall in einer Statue
verewigt worden ist. Aus der schwarzfigurigen Vase, Arch. Zeitung 1867 Taf. 218. I. 2,
und der schönen rotfigurigen, Gerhard, Auserlesene Vasenbilder II CXVI, möchte
man schließen, daß die Verletzung schon vor dem Abschied von Oineus, dem Groß-
vater, und dem Auszug aus Kalydon erfolgte.
Kann der Knabe mit dem verwundeten Fuß in Ätolien etwa eine Parallele bilden


Abb. 14. Bronze der Sammlung Baron
Edmond de Rothschild.

zu dem böotischen Heros Ödipus, den man im Altertum sich mit verwundeten Füßen
gedacht hat? Bei sonst großer Verschiedenheit scheinen doch beide Unterwelts-
dämonen unter ihren nächsten Vorfahren zu haben. Für die Frage, die uns hier be-
schäftigt, ist das aber vorläufig belanglos. —Interessant erscheint mir, darauf zu ver-

J) Sitzungsber. d. K. Pr. Akad. d. Wiss. IX 1914
S. 228.
2) Arch. Ztg. 1883 Sp. 246.
3) Mon. d. Inst. 1835 PI. XIV, vorzüglicher Stich
1879 Taf. 2 und 3.

von Pedretti. Roscher s. v. Oidipus Sp. 709/10.
Siehe auch die Tafel von Dittmar Heubach, Das
Kind in der griechischen Kunst.
4) Br. Mus. Kat. III S. 108 f. Nr. 1755, Arch. Ztg.
Bruckmann Nr. 322.
 
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