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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 40.1925(1926)

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Mayer, M.: Rhodier, Chalkidier und die Odyssee
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https://doi.org/10.11588/diglit.44818#0056
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RHODIER, CHALKIDIER UND DIE ODYSSEE
Die nachstehenden Einzel-Untersuchungen hätten sich bequem als» Odyssee-
Studien« zusammenfassen lassen. Die Lockerheit der Verbindung zwischen einigen
Kapiteln würde da weniger bemerkt worden sein. Aber der Titel hätte auch leicht
den Anschein erweckt, als wolle der Verfasser sich in die Reihe der mit Text, Sprache
und Komposition beschäftigten Spezialisten der Homerforschung stellen; rein biblio-
graphisch würde er einen falschen Anspruch verkünden, während der eigentliche
Leser alsbald erkennt, welcherlei Studien sich hier auf verschiedenen Wegen zur
Odyssee hinführend begegneten.
1. ELPENOR UND SEIN GRAB
Nur ungern gehe ich daran, die zarte, mehrfach nachgedichtete Elpenor-
Episode Od. λ 51—80 mit μ 8 ff. sagengeschichtlicher Analyse zu unterwerfen. Ge-
schehen muß es, nicht aus Lust am Zersetzen des dichterischen Gebildes, sondern
wegen einer Reihe erweislicher Irrtümer, die sich festzusetzen drohen und denen
nur von diesem Punkte aus beizukommen ist.
Elpenor ist beim Aufbruch der Gefährten durch Sturz vom Dache der Kirke
verunglückt, unbemerkt von den Absegelnden, und klagt in der Unterwelt, wo er
als Erster dem Odysseus begegnet, daß sein Leib unbestattet liegen geblieben sei.
Dazu dann die flehentliche Bitte um Bestattung, bezüglich Verbrennung, mit be-
stimmten Wünschen, denen alsbald die Erfüllung folgt. Ich unterlasse es, auf Rohdes
und Anderer subtile Untersuchungen hier einzugehen und die bis zu einem
System griechischen Seelenglaubens führenden Unterscheidungen und Ausgleichun-
gen zu verfolgen. Das mag alles seine Richtigkeit haben. Demjenigen Volksglauben
aber wird die Dichtung nicht gerecht, wie er in einem weiteren, über den homeri-
schen hinausreichenden Kreise durchblickt, dem Elpenor und sein Schicksal nun
einmal angehört. Da muß die Vorstellung geherrscht haben, daß der Tote, solange
der Leib über der Erde liegt, überhaupt keine Ruhe findet und daß sein Schicksal
von demjenigen regelrecht Bestatteter sich grundverschieden gestalte. Offenbar
konnte er überhaupt: nicht an den Ort der Seelen, sofern dafür ein bestimmter Be-
reich vorgezeichnet war, gelangen und war verdammt, unstät auf der Erde umher-
zuirren und naturgemäß die Umgebung zu beunruhigen. An dieser Differenzierung
könnte auch die epische, wenigstens bei Homer eingebürgerte Ausdrucksweise
nichts ändern, die jeden fallenden Krieger, jeden Sterbenden überhaupt mit einer
stereotypen Wendung begleitet wie »die Seele aber entfloh zum Blades« oder dgl. *).

') Den Elpenorfall hat Rhode in einem eigenen Artikel behandelt, Rh. Mus. 50, 1895, 615.
 
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