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widmete sich in seinem Schauspiel Malerschulen und Stilen der Kunstgeschichte, die er
gegenüberstellt:

»Es war ihm dabei um nichts geringeres zu thun, als Rom mit Brüssel, die römische Malerschule
mit der flamändischen in fortwährenden Gegensatz zu stellen und so, das dramatische Interesse mit
dem artistisch-malerischen innig durchflechtend und durchdringend, eine doppelte Ausstellung für
Kunstfreunde - .sy; will er selbst sein Stück benannt wissen - mit allem Zauber einer reich gestalten-
den und das Gestaltete zur Einheit verbindenden Fantasie auszustatten. [...] Die herrliche Scene
selbst aber vollendet ganz den Contrast der niederländischen und römischen Kunst; [...] Der Ge-
gensatz der flamändischen und italienischen Malerschulen tritt von selbst hier in die Anschauung.«
(Kat.Dre.l816.Q.3)167 f

Die Gegensätze zwischen der niederländischen und italienischen Schule sieht Kind bereits in
der Charakteristik der Personen, Lenchen ist ein »flamländisches Naturkind«, Helena Rubens
eine »niederländische, aber vornehmere« Dame, die als Kontrast die »geistreiche, nur dem
Himmel zugewandte Italiänerin« Paola erhalten (Kat.Dre.l816.Q.4).

Sein Theaterstück folgte damit einer Kunstgeschichte in der Tradition Winckelmanns
und seiner Nachfolger. Wie Kind selbst erläuterte, waren die Attitüden für ihn schulbildend
gewesen, die schon um 1810 den Umgang mit der Kunstgeschichte als Gegenüberstellung
von Stilen verschiedener Schulen vermittelten.168 Es handelt sich somit - übertragen auf den
Theaterbereich - um ein sehr frühes Modell von Kunstgeschichte, das - allerdings in wesent-
lich ausgereifterer Form - als »historisches Entwicklungsmodel]« in der bildenden Kunst erst
um 1830 etwa mit den Loggienfresken von Peter Cornelius in der Münchner Pinakothek sei-
nen Ausdruck fand. Auch dort kam es zu einer parallelen Betrachtung der italienischen und
nordischen Kunstgeschichte. Der Höhepunkt war mit Raffael erreicht.169 Auch bei den selb-
ständigen lebenden Bildern beginnen regelrechte kunsthistorische Programme erst Ende der
20er Jahre.170 Zuvor hatten sich allerdings einige Aufführungen bereits an »Schulen« orien-
tiert:

»mehrere solche sogenannte Tableaux aus der niederländischen, aus der teutschen und aus der
italiänischen Schule« (Kat.Wie. 1807/1.Q.l)171

167 Vgl. auch Kat.Wie. 1817/3.Q.l und Kat.Wie. 1817/3.Q.2. Vgl. den Artikel von Kind zur achten Auf-
führung seines Stückes in: Abend-Zeitung. No.97. 24.4.1818.

168 Vgl. dazu Kap.3.2.3.

169 Vgl. Kuhlmann-Hodick 1993. S.309-317 und 439-441, die sich in ihrer Dissertation ausführlich
mit dem Kunstgeschichtsbild im 19.Jahrhundert auseinandersetzt. Eine Vorläuferform dieser Art
der »Kunstepochen«-Darstellung war wohl ein auf zwei Friese verteilter Zyklus am 1805 fertigge-
stellten Außenbau des Berliner Wohnhauses von Gottfried Schadow, der Künstleranekdoten der
Antike und die Begegnung von Künstlern der Antike sowie der Renaissance mit ihren jeweiligen
Mäzenen zum Gegenstand hatte. Die einzelnen Szenen, deren Konzeption zumindest zum Teil auf
den Archäologen und Kunsthistoriker Hirt zurückgeht, sind fortschreitende Entwicklungsstufen
der Kunst bewußt zugeordnet, vgl. Kuhlmann-Hodick 1993, S.439.

170 Das jeweilige Konzept variierte stark in den Ansprüchen. Auf dem Berliner Theater wurden 1827
lebende Bilder in Zyklen vorgestellt, vgl. Harten 1974. S.48. 1830 fand in London in der Egyptian
Hall, Piccadilly, eine lebende Ausstellung, geordnet nach Kunstschulen, statt, vgl. Athenaeum
28.8.1830. S.541. Vgl. Altick 1978. S.345. Weitere Aufführungen: London, The Ancient Hall of
Rome, vgl. Rimels 1961. S.613. London, Dubourg's Theatre of the Arts in Great Windmill Street,
1844, vgl. Altick 1978. S.346. Sowie auf literarischer Ebene: lebende Bilder in der Künstlernovelle
von Wilhelm von Schadow »Der moderne Vasari« von 1854, vgl. Schadow 1854. S.33ff., 39ff.,
187, 199ff. Vgl. Lammel 1986. S.243. Vgl. Langen 1968. S.253/254.

171 Vgl. auch: »meist nach den gepriesensten Gemälden der Römischen Schule« (Kat.Ber. 1811.Q.l),
»Gemälde der neuen französischen Malerschule« (Kat.Wei.l813.Q.l), »Dazu dürfte die niederländi-

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