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Jooss, Birgit
Lebende Bilder: körperliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit — Berlin, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.22768#0083
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-novellen,181 Bildgedichte,182 Sammlungskataloge oder Reiseberichte mit Werkbeschreibun-
gen. Viele dieser neuen Texte erhielten Illustrationen.183 In Bezug auf die Literatur hält Schmidt
fest: »Ideelle Grundlage für die intensive und breite Entfaltung von Künstlerroman und
Künstlernovelle ist das bereits im 18. Jh., in den Schriften der Geniezeit, durchbrechende
künstlerische Selbstbewußtsein und das mit der Theorie dichterisch-genialer Autonomie sich
geltend machende Moment der Selbstreflexion. Das neue Wertgefühl erhebt den Dichter in
den Rang eines selbst darstellungswürdigen Gegenstandes der Dichtung.«lM Dies läßt sich
gleichermaßen auf den idealisierten Malertypus projizieren, wobei die Spiegelung zeitge-
nössischer mit bereits vergangenen, aber wiederzubelebenden Idealen gesucht wird. Die »Ein-
verleibung« der großen Meisterwerke der Kunst in den Künstlerdramen und kunstgeschicht-
lichen Schauspielen war neben den frühen Attitüden, den eigenständigen lebenden Bildern
und den späteren Künstlerfesten ein Umgang mit der allgemein verfügbar gewordenen,Kunst-
geschichte auf darstellerischem Gebiet. Nicht umsonst sprach man wiederholt von »lebenden
Gemäldeausstellungen«.185

3.2. Lebende Bilder als autonome Kunstgattung
3.2.1.Pygmalion und die Belebung der Kunst

Die Form einer eigenständigen Aufführung von lebenden Bildern als gesellschaftliches Spiel
setzte sich nur wenig später durch als die der lebenden Bilder innerhalb von Theaterstücken.
Als Nachstellungen von Kunstwerken verkörperten sie eine sehr außergewöhnliche Rezep-
tionsweise von Werken bildender Kunst. Sie waren sicherlich in der Hauptsache spielerisch
motiviert, gleichzeitig müssen sie jedoch auch als bildlicher Ausdruck der Popularisierung

181 Seit der Romantik wurden häufiger Themen der bildenden Kunst und kunsttheoretische Fragen in
dichterischer Form, vor allem als Malerroman, behandelt. Heinses »Ardinghello« von 1787 gilt
bedingt als Vorläufer, Ludwig Tiecks »Sternbald« als Prototyp. Vgl. Langen 1952/53, S.85-86. Zur
Künstlernovelle, die mit dem »Sandmann« (1815) von.E.T.A. Hoffmann beginnt, vgl. Schmidt
1982.

182 Vgl. den Aufsatz mit weiterführender Literatur von Pestalozzi 1995. Vgl. Weisstein 1992, der zwölf
Kategorien von literarischen Werken unterscheidet, je nach Beziehung zwischen Literatur und bil-
dender Kunst. Vgl. Kranz 1992, der in einigen Publikationen das Bildgedicht untersucht.

183 Die Kunstbeschreibung unterlag seit der Mitte des 18. Jahrhunderts einschneidenden Veränderungen,
indem sie ästhetischer - künstlerisch, narrativ und psychologisierend - und geschichtsbewußter
wurde: »aus dem Bild wird eine Geschichte, aus dem stillgestellten Moment visueller Darstellung
wird bewegtes, handlungsträchtiges Seelenleben.« Siehe Pfotenhauer. In: Boehm / Pfotenhauer
1995, S.313. Pfotenhauer geht in seinem Artikel ausführlich den Typen der Beschreibungskunst im
18. Jahrhundert nach. Vgl. zu den Bildbeschreibungen von Wilhelm Heinse, Pfotenhauer 1991,
S.39-56. Initiator von Gemäldebeschreibungen in größerem Stil war Wilhelm Heinse, der erstmals
in der deutschen Kunstgeschichte nicht mehr antike Plastik, sondern Werke der europäischen Ma-
lerei - v.a. Rubens - beschrieb. Friedrich Schlegel war der erste der eine museale Sammlung - den
späteren Louvre- dem deutschen Publikum vorstellte, vgl. Reifenscheid 1991, S.5-6 und v.a. S.33-
90. Vgl. den Artikel zur Bildbeschreibung von Körner 1995.

184 Siehe Schmidt 1982, S.404.

185 Vgl. Kat.Wie.1812/1.Q.2; Kat.Wie. 1812/2.Q. 1; Kat.Str. 18 16.Q. 1; Kat.Dre. 1816.Q.3;
Kat.Dre.l816.Q.4; Kat.Wie.l817/3.Q.2; Kat.Lei.l819.Q.l.

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