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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Schumann, Paul: Die zweite internationale Ausstellung von Aquarellen u.s.w. in Dresden, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0026

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Die zweite internst. Ausstellung v. Aquarellen u s. w. in Dresden, von p. Schumann — Distichen, von A. Fitger tt

Lebens, die sichere Erfas-
sung des Charakteristischen.
Pohle schildert mit hin-
reißender Kraft, daß einem
das Herz klopft, ein Vier-
gespann mit fünf Personen,
das noch über die Schienen
eilt, während der Zug
schon in allernächster Nähe
heransaust. Th. Roch oll
schildert frisch und lebensvoll
Bilder aus dem französischen
Kriege. Von KarlGehrts
sehen wir eine lange Reihe
geistvoller Skizzen nach
italienischen Malern und
aus Italiens Natur. Die
großen Architekturbilder von
Seel zeichnen sich durch
ihre Klarheit und peinlich
sorgfältige Ausführung aus;
wertvoller sind die Schill-
schen mit ihrem magischen
Halbdunkel und Farbenspiel.
Von Walter Petersen
sehen wir ein geistvolles,
lebensgroßes Danien-Bildnis
in Pastell und kleinere,
fein gezeichnete Bildnisse;
charakterlos ist dagegen eine große Rokokoszene. Voll

melancholischen Ernstes sind acht Radierungen von F. von
Schennis. Auch „Der Botaniker" und „Der Zoolog"
von W. Zimmer sind ansprechende Leistungen.

Unter den Werken aus Dresden entzückt uns vor
allem Hermann Vogel mit seinen Märchenskizzcn
(Was sich der Wald erzählt). Sie bieten eine solche
Fülle von goldener Poesie, Humor und echt märchen-
hafter Romantik, daß man nicht müde wird, sich hinein
zu versenken. Tüchtiges Können offenbaren die stimmungs-
vollen Landschaften (in Deckfarben) von Max Fritz.

H. Ernst Walthers „Mädchen am Gartenzauu",
Wengels „Maler-Atelier" und seine beiden Radierungen,
— „Weibliches Bildnis", „Ter Raucher", — eine Land-
schaft von Wilhelm Ritter sind sehr tüchtige Leist-
ungen. Von Hermann Freye stammen drei charakter-
voll individualisierte Apostelgcstaltcn, von Stichart ein
groß empfundenes biblisches Bild „Tie Marien am Grabe",
von Paul Kießling ein interessanter „Studienkopf",
von Professor Erwin Öhme ein „Waldteich" mit vir-
tuos wiedergegebcner Abendbeleuchtung.

Mit einem Dutzend seiner ganz eigenartigen Aqua-
relle ist Hans Thoma aus Frankfurt a. M. vertreten.
Sie offenbaren eine stark ausgesprochene Persönlichkeit
und tiefe Empfindung. Züge aus Böcklins und
Feuerbachs Wesenheit mischen sich mit der einfachen,
innigen Empfindung der alten deutschen Meister; die
Formenausbildung ist zu besonderer poetischer Wirkung
beschränkt, wo die Farbenempfindung sich zu besonderer
Kraft steigert. Die Landschaften geben sich in einer stil-
vollen Einfachheit, wie sie sich nur noch bei den Japanern
findet. Wir heben besonders „Das Paradies", den
„Ritter mit der Quellnymphe" und die „römische Cam-
pagna" hervor — Ter Hamburger W. Alters (jetzt in



Zrrlwmers „Mutter"- Turm
zu landsberg

Karlsruhe), hat seinen bekannten „Klub Eintracht" ge-
sandt. Weimar ist durch Walther Wittings farbig
höchst feine, seelenvolle Bildnisse, durch Landschaften von
Weichberger und Tübbecke vertreten. Aus Karls-
ruhe kamen interessante Zeichnungen von Kall morgen
und neben andrem eine von Talent zeugende große Com-
position „Macbeth" von Franz Hein.

Österreich vertreten namentlich die beiden Alt, dann
Darnaut mit stimmungsvollen Landschaften und Con-
stanze Münch-Bcllinghansen mit Blumenbildern
von meisterhafterFreiheit der Mache und köstlichster Zart-
heit. (Der Saal der Wiener ist indessen zur Zeit noch
nicht eröffnet).

(Der Schluß im nächsten Hefte)

Distichen

von Arthur Litger

Gegenseitig
Das Publikum

LHllch, die Künstler sind Schuld, wenn unsre Kunst so verfallen;
^ Keiner führet uns hoch über uns selber hinauf.

Der Künstler

Nein, die Schuld hat das Volk; es fordert ja nimmer das Große;
Nur der alltägliche (puark ist's, der die Menge beglückt.

Unparteiischer

Streitet doch nicht? Ihr solltet einander sich'» auf den

Schultern;

Kunststück! — doch es gelang einst in Athen und Florenz.

Streitig macht dir den Nuhm der photographische Kasten,
Künstler, der du nicht mehr kannst als Natur konterfei'»;
Denn nur, was du im Geist empfangen, im denkenden,

schaffst du

Nicht als Maschinen Nival, schaffst du als göttliche Kraft.

Virtuosität

Schwieriges hast du
gegeigt; ein Lier-
tanz schien es ans
Glatteis,

Und das Publikum
hat rasend Applaus
dir geklatscht.

Aber wenn erst kopf-
stehend du spieltest
auf schwebendem
Turmseil,

Hundertfach schwie-
riger wär's, hun-
dertfach war' der
Applaus.

iKeunre Sgmplioiiie
Auf die Spitze des
Turms, die der Mei-
ster sterbend voll-
endet,

Legt ihr den Grund
und baut Schüler,
iu's Blaue hinein.

Interieur ans Hrrkomers Melier im
„Wnkirr"-Turm zu Landsberg a.L.

->»
 
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