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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Presber, Rudolf: "Poberetto", [1]: Novellette
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0027

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12

„Woveretw"

Nooellette. Von Rudolf Presber

war gegen
sieben Uhr am
Abend. Träge lag
ich in den schwellen-
den Kissen der Gon-
del und ließ die
majestätischen Pa-
läste des Kanal
Grande an mir vor-
iiberziehen. Ich
hatte eben einen
Freund zur Bahn
gebracht, der mit
mir über den Gott-
hard gekommen war,
undsich mit mir er-
freut hatte an der
Herrlichkeit des Lago
Maggiore, der Lieb-
lichkeit des Comer
Sees, der mit mir
über Mailand und
Verona hierher ge-
zogen war, in der Hoffnung, schöne Tage in der Lagunen-
stadt zu verleben.

Nun hatte ihn schon am zweiten Tag ein Plötzlicher
Trauerfall in die Heimat zurückgerufcn, und ich war
allein. Meine Gedanken geleiteten ihn ans seinem Wege
dem Norden zu, doch reisten sie schneller wie er, und
bald heitere, bald ernste Bilder schwebten mir vor; liebe
Gestalten der Heimat beugten sich zu mir herab und ich
erwachte erst aus meinen Träumereien, als die Gondel
sanft, von der geübten Hand des Gondoliere gelenkt, an
die Treppensteine der Piazctta anlegte.

Ein stets dienstbarer, immer arbeitsloser Venezianer,
wie es deren Hunderte gibt, zog sie ganz herbei; ich
drückte ihm das übliche Kupferstück in die Hand und
stieg aus. -

Die Forderung des Gondoliere für seine Dienste
war unverschämt; er verlangte drei Franken für die kurze
Fahrt, und ich war seiner Sprache nicht mächtig genug,
ihm, der mich nicht verstehen wollte, zu beweisen, daß
ich die Taxe kenne; bisher hatte mein Freund, der Ita-
lienisch fast wie Deutsch sprach, mich solcher Unannehm-
lichkeiten überhoben. Jetzt ward ich ärgerlich und wollte
schon einen Polizeibeamten, der eben gravitätisch unter
seinem Dreimaster in geringer Entfernung vorbeischritt,
anrufen, als neben mir eine Stimme ertönte in meiner
Muttersprache:

„Lassen Sie mich machen!"

Ein seltsamer Mann stand neben mir; er mochte
ungefähr 23 Jahre zählen; sein Kopf war hübsch, fast
schön zu nennen, aber er war klein von Statur und
seine linke Schulter, die höher lag als die rechte, hatte
einen häßlichen Auswuchs nach hinten. Der kleine Mann
sprach in fließendem Italienisch mit dem Gondoliöre, der
nach einiger Zeit ein Frankenstück von mir nahm und
mürrisch davonruderte.

„Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, mein
Herr", sagte ich höflich den Hut ziehend.

„Nicht der Rede wert", sagte der Kleine und schaute
lächelnd zu mir hinauf. „Nicht der Rede wert; in der
Fremde unterstützt eben der Landsmann den Landsmann."

„Jedoch, cs war sehr liebenswürdig von Ihnen,
da."

„Da michs gar nichts anging, meinen Sie? Da
haben Sie Recht, aber ich hörte, daß Sie in Ihrem
Ärger einige deutsche Worte dazwischen murmelten, er-
kannte auch schon an der Kleidung den Deutschen in
Ihnen, und so nahm ich mir denn die Freiheit."

„Eine Freiheit, für die

„Für die Sie mir vielmals danken; ja Wohl! lassen
wir das. Gehen Sie dem Markusplatz zu? Gestatten
Sie mir, daß ich mich Ihnen vorstelle; mein Name ist:
Franz von Cornstadt." Ich nannte ihm meinen Namen und
schritt neben dem neuen Bekannten her, der große Schritte
machte und mir trotz seiner kleinen Beine immer ein wenig
voraus war, während er nach rückwärts zu mir redete.

Ich hatte schon vorhin am Quai bemerkt, daß eine
Anzahl von Gassenjungen und Bummlern, teils aus der
Ferne, teils näher rückend, den kleinen Mann lachend
und mit jenem rücksichtslosen Staunen, das dem Pöbel
aller Länder eigen ist, betrachteten. Verwachsene sind
hier selten, ja ich habe auch später keinen einzigen dieser
Armen in Venedig gesehen. Die Jungen liefen nun,
während wir gingen, hinter uns her, sie lachten laut,
und hin und wieder drangen ihre Rufe wohl auch ver-
nehmbar an das Ohr dessen, dem sie galten. Der Kleine
lächelte, sah sich um und meinte dann ruhig:

„Sehen Sie, daran habe ich mich hier so gewöhnt,
daß ich gar nicht mehr daran denke, wie peinlich es für

Eingang in Hrrkomers „Mukker"-Turm xn Landsbrrg

(Die Skulpturen von des Künstlers eigener Hand)
 
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