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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler etc. - Preisausschreiben - Ausstellungen, Sammlungen etc. - Vermischte Nachrichten - Kunstlteratur und vervielfältigende Werke
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0030

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Personal- und Ateliernachrichten

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Personal- und Mrlirrnachrichlen

7 N. München. Professor Fritz v. Uhde hat während
weniger Monate eine Reihe neuer, verschiedenartiger Werke ersonnen
und ausgesührt. Zunächst malte er einen zweiten „Gang nach
Bethlehem", und zwar in kleinerem Umfange. Ter morsche
Zaun, der an der einen Seite die Heerstraße begrenzte und sich
bis zum Eingang des Torfes erstreckte, ist fortgefaUcn. Weiter
und unwirtlicher dehnt sich nun die Bahn vor den Wegemüden
aus; dichter ziehen die kalten Nebel über den Weg, trüber ist die
Luft und entfernter die ersten Lichter des ersehnten Rastorles. —
Nach dem schlimmen Wintcrtage der duftigste Sommcrmorgen, der
je über dem wilden Grün des Dachauer Moorlandes gelacht.
Ein schäumender Bach durchzieht das Feld, an dessen Horizonte
niederer Baumwuchs erscheint. Zur Rechten des Wassers ein
Acker blühenden Rapses, zur Linken Torfland und die schwarze
Spur eines natürlichen Weges. Ein Arbcitsmanu geht dahin,
von starkem Gliederbau und grobem Aussehen. Tie plumpen
Schuhe lassen Eindrücke im Boden zurück, und der dünne Rauch
der Pfeife schwelt in die blaue Lust. Er hat das Mädchen, das
drüben seinen Raps bestellen will, lustig angeruscn. Sie erwidert
mit Hellem Lachen den Gruß. Ein Stück echter Poesie, aus der
baren Wirklichkeit herausgcschnittcn! Heist steigt der Tag herauf...
lind die Sonne geht unter und wirft breite Schatten in das
dürftige Gemach der „armen Näherin", die von einem schweren
Schicksal hcimgesucht worden. Ter Jammer wirst sie darnieder;
kraftlos im Stuhle zusammcngcsunken, neigt sie das Antlitz über
den ungefügen Arbeitstisch und hält die Hände vor die bethränten
Augen. Ein Kind, unwiffend und unschuldig, drückt sich an die —
Verlassene und läßt die Blicke ängstlich im Zimmer hcrumirrcu ...
Während brausten im Volksgartcn die Menschen fröhlich ihren
Feiertag begehen und die warme Sonne recht sonntäglich über
den Glücklichen leuchtet, must die „Arbeiterin" bei ihrer Maschine
ausharrcn und schaffen für das tägliche Brod. Ter Helle Schein
dringt so verführerisch durch das breite Fenster, eine kurze Pause,
die darf doch wohl gemacht werden. Das Mädchen ist an die
scheiben getreten, hat sie geöffnet und betrachtet sehnsüchtig das
lärmende Gewimmel. — Ein ausgezeichnetes „Franenportrüt",
au das der Künstler die letzte Hand legt, hält unsre Aufmerksam-
keit fest. Tie blondhaarige Schöne lehnt den Oberkörper leicht
und ungezwungen in ein schwellendes Kissen zurück und guckt aus
klugen Augen heiter und naturvoll in die Welt.

tr. Düsseldorf. Der Historienmaler F. Klein-Chevalier,
ein Schüler des Prosessors Pclcr Janssen, ist einer Einladung
des Reichskommissärs, Major von Wcstmann, nach Lauleiberg
im Harz geivlgt, um unter dessen Leitung das neueste Werk
„t.mer durch Afrika", zu dessen Abfassung Major von Wißmann
die Mußezeit in Lauterberg benutzt, zu illustrieicn. — Die
gegenwärtig hier bei Schulte ausgestellte Sammlung von großen
und kleineren Marine-, Landschaft?- und Städtebildern des
Nestors der russischen Künstler, Iwan Aivasowsky, kaiserl.
russischer Hofmaler, welche in diesem Sommer bei Durand-Nucl
in Paris und bei Goupil L Co. in London ausgestellt war und
allgemeine Beachtung fand, findet auch hier durch die eigenartige
und bedeutende Auffassung der Motive und die meisterhafte Dar-
Pellung ein hervorragendes Interesse. Ten Mittelpunkt der
Kollektion bildet das Niescnbild „Eine Katastrophe aus dem
Szean", eine mit dramatisch packender Wahrheit dcngestellte
Schiffbruch-szene. Bedeutend sind auch seine Bilder vom
Schwarzen Meer, die italienischen, französischen und spanischen
Marinen und die frappant gemalten russischen Winlctbildcr.
-0" allen zeigt sich eine merkwürdige Gestaltungskraft und Vir-
tuosität der malerischen Behandlung.

^ Zürich. In der Konkurrenz für ein Schulgebäude in
Zürich wurde dem Projekte mit Motto: „Südoft I" vom Prcis-
gcrichte einstimmig der erste Preis von 2000 Frks zucrkannt Als
^erfaster dieser Arbeit ergab sich Hermann Weinschenk in
t.iunchcn. s.en zweiten Preis (1600 Frks.) erhielt der Architekt
A. Roch m London, in den dritten Preis teilten sich G. Güll
und Gebr. Neutlinger in Zürich.

„> . ^ Weimar. Professor Gras L. Kalckreuth ist aus dem
verbände der großhcrzogl. Kunstschule zu Weimar ausqcschiedcn
und c er Münchener C. Frithjof Smith an seine Stelle getreten.

< Güttingen. Die hiesige Universität hat den Bild-

yauer Ferdrnand Hartzer in Berlin gelegentlich der Ent-
hullmig des von dem Künstler geschaffenen und in Bronzeguß
hierfelbst zur Aufstellung gelangten Friedrich Wöhler-Denkmals
zum „Ehrendoktor" ernannt.

— Berlin. Samstag den 23. August ist Wilhelm
Gentz, der geschätzte Orientmalcr, nach kurzem Krankenlager in
Berlin verschieden. Als geborener Märker hat er seine erste Aus-
bildung auf der Berliner Akademie bekommen, dann aber, wie
zu seiner Zeit selbstverständlich, im Auslände mehrere Jahre
studiert. Nach längeren Reisen, namentlich im Orient, kehrte er
nach der Heimat zurück. In seinen Bildern hat er fast aus-
schließlich Gegenstände der ihm ans Herz gewachsenen fremdartigen
Welt des Ostens behandelt. Aber er ist dabei ein Deutscher ge-
blieben. Er hat das fremde Wesen mit der heimischen Art zu
verschmelzen gewußt, darin liegt vor allem seine Bedeutung.
Wilhelm Gentz ist am 9. Dezember 1822 in Neu-Ruppin geboren.
Die Berliner Akademie, die er in jungen Jahren besuchte, konnte
ihm bei den damaligen zerfahrenen Kunstzuständen der preußischen
Hauptstadt wenig mehr als eine notdürftige technische Unterweisung
geben. Wie fast alle seine malenden Zeitgenossen suchte auch
Genu die eigentliche künstlerische Ausbildung im Ausland zu ge-
winnen. Daß er zunächst Antwerpen wählte, konnte kein Zufall
sein. Tenn in Belgien waren gerade damals die beiden Bilder
entstanden, die, im Siegeszug durch Deutschland geführt, der un-
wahren pappdeckelnen Pose der Corneliusschen Schule den Garaus
machten: Gallaits „Abdankung Karls V." und Biefves
„Kompromiß des niederländischen Adels zur Abwehr der Inqui-
sition." Dem wirkungsvollen Kolorit hatten diese Bilder ihren
großartigen Erfolg namentlich in Deutschland zu verdanken. Und
da meine ich doch, daß in dieser Beziehung der Einfluß der bel-
gischen Malerschule trotz kurzer Berührung auf Gentz' Entwickelung
von Einfluß gewesen ist. Im Jahre 1846 wandte sich Gentz nach
Paris, wo er, wenn auch mit Unterbrechungen, mehrere Jahre in
Gleyres und in Coutures Atelier arbeitete, die ja die Lehrer so
vieler deutscher Maler jener Zeit gewesen sind. Beider Bedeutung
zu erörtern, ist nicht der Ort, der erstere wird mehr als Zeichner,
der andre mehr als Kolorist geschätzt. Gleyre hatte einen längeren
Aufenthalt im Orient genommen und hat mehrmals orientalische
Gegenstände in seinen Bildern behandelt. Man sieht, daß sich in
den ersten küustlcrischcn Anregungen Gentz' und in den hervor-
stechendsten Eigenschaften seiner Lehrer die Elemente finden, ans
denen sich der künstlerische Charakter Gentz' zusammensetzt. In
längeren Reisen, namentlich nach Ägypten, hat Gentz das orien-
talische Leben kennen, schätzen und malen gelernt. Als Künstler
blieb er dem licbgewordcucn Land treu, immer wieder trieb cs
ihn von Berlin fort nach der fremdartigen schönen Welt des
Ostens, die er meisterlich darzustellen verstand. Was man in der
Öffentlichkeit von Gentz' Bildern zu sehen bekam, waren stets
ausgerciftc, fertige Werke, darin offenbarte sich seine tüchtige
norddeutsche Natur. Er war fleißig und suchte vielseitig zu sei».
Er begnügte sich nicht etwa mit einem glücklichen Vorwurf, den
er nun mit geringen Veränderungen in bequemer Vervielfältigung
wiederholt hätte, er stellte sich immer neue Aufgaben. Ten Scherz
und den Ernst dcS orientalischen Lebens hat er behandelt, der
Gegenwart und der Vergangenheit hat er seine Vorwürfe entlehnt.
Als Historienmaler — ich erwähne nur den Palmsonntag in alt-
christlicher Zeit der Berliner Jubiläums-Ausstcllung von 1886 —
täuscht er nicht durch antiquarische Genauigkeit, auch diese Gegen-
stände faßt er allein von der malerischen Seite auf mit Unter-
ordnung aller übrigen Gesichtspunkte. Die seltsamen wcchsclvollcn
Färbungen der orientalischen Landschaft verstand er trefflich wiedcr-
zugcbcn. Das Fiammiugobild aus einer der letzten Berliner
Ausstellungen zeigte diese Seite aufs beste. Einen glänzenden
äußeren Erfolg erzielte Gentz mit dem 1876 gemalten, Bild „Ein-
zug des Kroitprinzen von Preußen in Jerusalem 1876". Das
Bild, das sich jetzt in der Berliner Nativnalgaleric befindet, gehört
entschieden nicht zu denen, in denen sich die charakteristischen Eigen-
schaften Gentz' von ihrer vorteilhaftesten Seite zeigen. Tic vielen
Porträts, die anzubringcn waren, das eigentlich Unmalerische des
Gegenstandes mochte eine volle Hingabe des Künstlers gehindert
haben. Gentz hat sich stetig entwickelt und ist sich immer treu
geblieben. Wohl mehr wie alle seine Genossen, die jenseits des
Rheins ihre künstlerische Ausbildung gesucht haben, hat Gents das
heimische Wesen bewahrt und sich auch als Maler immer deutsch
gegeben, ohne aber den offenen Sinn für das Gute bei den
Fremden anfzngcben. Das ist das eine. Tann aber hat er zu
einer Zeit in Berlin Bilder von packender koloristischer Wirkung
gemalt, als man hier noch ganz im Kreide- und Kartonstil be-
sangen war. Heule ist man ja freilich weiter, man ist an viel
raffiniertere Farbenwirkungen gewöhnt. Der Wert und die Be-
deutung von Wilhelm Gentz, seine Stellung in der Entwicklung
der Berliner Malerschule bleibt darum unbestritten.

7. 8.
 
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