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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Miris, A. von: Von den Münchener "Fliegenden Blättern", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0054

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von den Münchener „Fliegenden Blättern

ZI

Julius Schneider nicht nur eine langjährige Erfahrung sowie
sein Kompagnon Kaspar Braun zur Seite, sondern er
wird auch von seinem Bruder Hermann Schneider
in wirksamster Weise unterstützt, und ist es dessen Thätig-
kcit in Bezug auf die artistische Leitung der „Fliegenden
Blätter" vorzugsweise zu danken, daß dieselben jene künst-
lerische Höhe erreichten, die wir an ihnen so freudig be-
wundern. Selbst ausübender Künstler von hervorragender
Bedeutung ist Hermann Schneider wie kein zweiter be-
fähigt, die Fähigkeiten und Leistungen seiner Kollegen
richtig zu beurteilen, und auf dieselben anregend und be-
lebend zu wirken. Am 16. Juni 1846 zu München ge-
boren, erhielt er seinen ersten Unterricht im Zeichnen von
H. Dyck, besuchte dann die Akademie, wo sich Moritz
Schwind seiner annahm, bis er im.Jahre 1866 in die
berühmte Pilotyschule trat. Es ist hier nicht der Platz,
alle die vortrefflichen Bilder aufzuführen, welche Hermann
Schneider in rascher Reihenfolge schuf und mit denen er
sich einen der geachtetsten Namen unter den Münchener
Künstlern erwarb. Als Zeichner für die „Fliegenden
Blätter" hat er verhältnismäßig wenig geliefert, um so
bedeutender sind jedoch seine Verdienste um. die Stellung,
welche dieselben als Kunstblatt seit Jahren einnehmen.

Daß bei einem illustrierten Blatte, wie die „Fliegen-
den" der Schwerpunkt auf die Illustration zu legen ist,
kann wohl nicht bestritten werden und sei es darum ge-
stattet, über die vortrefflichen Kräfte eine kleine Heerschau
zu halten, welche unter den noch lebenden Künstlern für die
„Fliegenden Blätter" thätig waren und zum größten Teil
cs noch sind. Wenn wir hierbei von den Tylographcn
absehen, so veranlaßt uns dazu nicht etwa, daß wir kein
Verständnis für deren Verdienste hätten, sondern der Um-
stand, daß der Raum, der uns zugewiesen ist, uns ver-
bietet, auch sie in den Bereich dieser Besprechung zu ziehen.

Als einen der hervorragendsten und originellsten
unter den Illustratoren der „Fliegenden Blätter" dürfen
wir wohl Wilhelm Busch bezeichnen, obwohl derselbe
seit Jahren andre Wege Angeschlagen und den „Fliegenden
Blättern" den Rücken gekehrt hat, denn diese waren es
ja, welche ihn zuerst bekannt gemacht und in denen er
sein Bestes geleistet hat. Was auch Busch später pro-
duzierte, seine Illustrationen in den „Fliegenden Blättern"
und den „Münchener Bilderbogen" sind durch keine
seiner späteren Zeichnungen an Humor, Geist und Witz
übertroffen worden.

Eine große Anzahl trefflicher Zeichnungen verdanken
die „Fliegenden Blätter" in früheren Jahrgängen auch
dem gewandten Stifte Spitzers, der zu vielen Er-
zählungen wie zu einzelnen Chargen längere Zeit hindurch
Illustrationen lieferte. Im Geiste Schwinds bewährte

Barth seine poetische schöpferische Kraft und alle Freunde
der „Fliegenden" beklagen es, daß außer ihm auch
Wilhelm Diez, der Schöpfer der reizendsten Bilder,
besonders aus dem Reitcrlebcn, in den „Fliegenden" seil
lange nicht mehr vertreten ist.

Um so treuer ist dafür den „Fliegenden Blättern"
der Sohn des berühmten Märchendichters gleichen Namens,
Ludwig Bechstein geblieben. Wir begegnen seinen
Zeichnungen, deren er bisher nahezu 5000 publiziert
hat, auch in andern illustrierten Journalen — am be-
kanntesten sind jedoch wohl seine phantasiereichen, meist
auch im Gedanken selbsterfundenen Modebilder in den
„Fliegenden Blättern", welche seit Jahren eine ständige
und sehr beliebte Rubrik derselben bilden.

Zuweilen illustriert noch M. Adamo in seiner an-
mutenden, empfundenen Weise im Stile L. Richters ein
Gedicht oder eine Erzählung, während C. Beckmann,
Matter, H. Kauffmann und andre leider uns nur
selten oder gar nicht mehr begegnen.

Zu den geistvollsten Illustratoren zählen in neuerer
Zeit Gehrts, Simm und Herm. Vogel, von denen
der letztere besonders für das Märchenhafte, Hochpoetische
eine künstlerische Begabung bekundet, welche an Schwind
erinnert ohne ihn nachzuahmcn. Während, um aus der
Reihe der neueren artistischen Mitarbeiter nur die hervor-
ragendsten zu nennen, Erdmann Wagner, Albrecht,
Bauer, Flashar, Grätz, Mandlick, Rene
Reinicke, Stuck, Wahle und Zopf in mehr farbig
gehaltenen Illustrationen die moderne Welt wiedcrgebcn,
sind Schließmanns typische Konturcnzcichnungen in
ihrer charakteristischen Bestimmtheit einzig dastehend und
bilden zu jenen einen wohlthuenden Gegensatz.

Als sehr verdienstvolle treue Mitarbeiter der „Flie-
genden Blätter" seien auch noch Engel und Skell ge-
nannt, ohne daß wir damit alle Namen in erschöpfender
Weise aufgeführt zu haben vermeinen.

„Aber wo bleiben Stäuber, Oberländer,
Steub, Meggendorfer, Hengeler, Harburger,
v. Nagel, Schlittgcn, Reinicke?" wird mancher un-
geduldige Leser fragen, der das Tableau betrachtet hat,
welches die Porträts der Genannten in sich vereint.
Indessen, eben mit Rücksicht darauf, daß wir diese
„Münchener Humoristen" im Bilde vorführen, wollten
wir erst zum Schluffe unsre Leser mit ihnen näher be-
kannt machen und haben sie deshalb bisher nicht genannt.

Wir beginnen mit dem bedeutendsten aller Illu-
stratoren der „Fliegenden Blätter", dem allgemein als
Meister ersten Ranges in seinem Fache anerkannten,
geistvollen A. Oberländer.*) Derselbe ist am 1. Oktober
1845 zu Regensburg geboren, kam jedoch schon als Kind
nach München, wo er seine Jugendzeit verlebte. Oberländer
sollte Kaufmann werden, glücklicherweise aber siegte des
Sohnes Neigung über des Vaters Pläne und er widmete
sich der Kunst. Im Jahre 1861 ward auch er Piloty-
Schüler. Seit Jahrzehnten ist Oberländer als treuer
Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter" thätig. Ein zweiter
Hogarth geißelt Oberländer die Thorheiten und Laster
der Zeit und kämpft mit dem Blitze des Humors gegen
den Ungcschmack und jede Unsitte der Gegenwart. Seine
Zeichnungen wirken nicht nur erheiternd, sie sind meist
zugleich eine ernste Mahnung und behaupten einen weit

') Vgl. „Kunst für Alle" IV. Jahrg. Heft 4.
 
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