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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Miris, A. von: Von den Münchener "Fliegenden Blättern", [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0056

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Z6

Von den Münchener „Fliegenden Blättern" — Aphorismen, von A. Stier

so freut sich doch auch der Erwachsene an derselben und
mag der Kunstkritiker hin und wieder die Achseln zucken,
Meggendorfcr hat die Lacher auf seiner Seite und das
ist für einen Humoristen seiner Art die Hauptsache.

Auch Edmund Harburger ist ein Malcrhumorist.
Bei ihm überwiegt aber entschieden die Charakteristik.
Auch Harburger sollte Kaufmann werden und ist Künstler
geworden, was ihm nur mit Hilfe seines Bruders möglich
wurde. Geboren am 4. April 1846 zu Eichstädt, ver-
brachte er die Zeit seiner ersten Jugend in Mainz, bis
cs ihm gelang im 20. Lebensjahre nach München zu
kommen und ein Schüler W. Lindenschmits zu werden.
Harburgers Bilder finden raschen Absatz und seine
kernigen Illustrationen in den „Fliegenden Blättern"
sind stets edel im Vortrag und gemütvoll im Gedanken.
Mit besonderer Meisterschaft versteht er im Sinne Ver-
alten Niederländer Zecher und verkommene Genies dar-
zustellen, obwohl ihm auch Frauengestaltcn und Szenen
aus der feinen Welt trefflich gelingen.

In dieser letzteren Richtung sind Schlittgens Illustra-
tionen in den „Fliegenden Blätter" tonangebend geworden.
H. Schlittgen im Jahre 1859 zu Roitzsch, Provinz
Sachsen geboren, besuchte nur vorübergehend Akademien,
weil ihn die Not des Lebens zwang, schon frühzeitig
durch Illustrationen sein Brod zu verdienen. Sein
Wunsch, Mitarbeiter der „Fliegenden Blätter" in
München zu werden und dorthin ziehen zu können, ging
rasch in Erfüllung. Zu Pfingsten 1882 erschienen seine
ersten Zeichnungen in den „Fliegenden Blättern" und
hatten einen durchschlagenden Erfolg, so daß viele sofort
anfiugen, in Schlittgcns Manier zu zeichnen. Schlittgen
diente als bayrischer Soldat, welche Zeit ihm hinreichend
Gelegenheit zu Studien für seine Offiziers- und Soldaten-
bilder gab. Im Jahre 1884 studierte er in Seebädern
das Leben der feinen Welt, verlebte einen Winter in
Berlin und hält sich nun seit Jahren in Paris auf,
wo er bei Boulauger und Lefebure Studien in der
Malerei treibt, ohne darum den „Fliegenden Blättern"
seine bedeutende Kraft zu entziehen. Sein Streben, bei
seinen Zeichnungen stets eine volle malerische Wirkung
zu erzielen, weshalb er auch bei dem einfachsten Witze die
handelnden Figuren stets mit vollem Hintergründe umgibt,
ist von dem besten Erfolge begleitet und die Eleganz,
mit welcher er besonders das „ewig Weibliche" darzustellen
versteht, hat den Zeitgeschmack vollständig getroffen.

Die Domäne der Illustrationen aus dem Soldatcn-
lcbeu, welche früher W. Diez in meisterhafter Weise
verwaltete, ist in den letzteren Jahren auf einen seiner
Freunde, den k. b. Major a. D. Ludwig von Nagel,
genannt van Os, übergegangen. Schon im Jahre 1861,
damals noch aktiver Kavallerieosfizier, zeichnete Nagel

„Skizzen für Reiterei", zu deren Lob wir nur die Thal-
fache erwähnen wollen, daß kein Geringerer, als
Meissonier, der Nagel in Landshut besuchte, nach Einsicht
derselben ihn leider vergeblich anfforderte, sein Schüler
zu werden. Aus dem Feldzug 1870/71, den Nagel als
Chevauxlegerosfizier milgemacht, brachte derselbe ein vor-
treffliches Skizzenbuch mit, welches 1874 bei Hanfstängl in
München in photographischer Reproduktion erschienen ist.
Die genaue Kenntnis des Pferdes, welche er sich in
seinem militärischen Berufe ungeeignet, im Vereine mit
einer außergewöhnlichen künstlerischen Begabung machten
Nagel zum Pferdezeichner ersten Ranges.

Der treueste und älteste Mitarbeiter der „Fliegenden
Blätter" ist wohl Karl Stäuber, der schon in dem ersten
Bande vertreten und seitdem ununterbrochen für die
„Fliegenden Blätter" thätig ist, sodaß dieselben etwa
8—9000 Illustrationen seines in jeder Richtung be-
währten Stiftes enthalten mögen. Wir erinnern nur an
die Illustrationen zu den Grafschen Reisebriefcn, an
Blaumeier und Nanni und wünschen dem schon in hohem
Lebensalter stehenden, noch immer arbcitsfrischen Künstler
noch eine lange dauernde Produktionskrast.

Nächst ihm hat wohl die meisten Illustrationen für
die „Fliegenden Blätter" Fritz Steub geliefert, welcher
an Originalität und spielender Überwindung aller Schwie-
rigkeiten in Bezug auf Komposition wie an komischer
Wirkung W. Busch am nächsten steht. Ohne irgend einer
starren Manier zu verfallen, hat er in zahllosen, selten
seinen Namen tragenden Illustrationen, eine seltene Fülle
von Kraft und Talent entwickelt. Er gehört zu jenen
glücklichen Zeichnern, die keine Modelle bedürfen, um
lebensvolle Gestalten hervorzubringen, und die ihrer
Phantasie noch einen Spielraum gönnen, ohne darum an
Charakteristik und Wahrheit einzubüßen. Darin zeigt sich
auch A. Hengeler als Meister. Das ist frischer, herz-
erquickender Humor! Da herrscht noch Leben und Geist,
der sich nicht ängstlich an die Wirklichkeit klammert und
trotz seines freien Fluges doch das Wahre und Charakte-
ristische zu treffen versteht!

Wohl sind wir uns bewußt, mit dieser skizzenhaften
Darstellung das interessante Thema auch nicht annähernd
erschöpft zu haben, aber cs genügt uns, wenn es gelungen
ist, dem Leser die Anhaltspunkte zu einer richtigen Vor-
stellung von den Münchener „Fliegenden Blättern",
ihrer Geschichte und ihren Mitarbeitern zu bieten und
sei uns darum gestattet mit dem Wunsche zu schließen,
der liebe Gott möge dem deutschen Volke noch viele
Dezennien hindurch den gesunden Humor und seine
„Fliegenden Blätter" wie bisher erhalten, unsre llrurcukcl
mögen dann sehen, wie sie mit den Hunderten von Bünden,
die bis dahin erschienen sein mögen, fertig werde».

Aphorismen

von A. Stier

studiere bei wem du immer willst,
—^ Bei kleinen und großen Meistern,
Sieh, ob du den Durst bei den lebenden
stillst,

Laß dich von den toten begeistern;

Laß dir von der ewig jungen Natur
Erhabene Lehren geben,

Und folge lernend auf der Spur

Dem brausenden Menschenleben; —
Doch rat' ich dir, nimm dich vor einer
in acht,

Sie betzt dein Bestes zu Tode,

Kat iiicbts als Unheil der Kunst gc-
, bracht:

Die Tagesgöttin, die Mode.

Nie anders schaffe als aus inn'rem Drang!
Feindjedes echten Kunstwerks istderIwang.

Ivo noch ein Stücklein ksimmel bliebe
In all dem trüben Erdendnnst?

Du findest es im Reich der Liebe
vielleicht, — gewiß im Reich der Kunst.
 
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