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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Brandes, Otto: Albert Hynais
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0155

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Albert Hynais

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dessen Arbeiten in den verschiedenen Salons mir hauptsächlich durch ihre liebenswürdige Anmut, die elegante
Zeichnung, einen meisterhaften Aufbau und kunstvolle Gliederung aufgefallen, der mir in der Farbe aber etwas
zimperlich und allzu delikat erschienen war. Und nun sah ich hier vor mir ein Porträt, welches der Hand
eines Bastien Lepage zu entstammen schien und doch bei näherer Betrachtung als ein Werk mit durchaus per-
sönlichem Stempel sich zeigte, ein Porträt, welches eine holbeinsche Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit bekundete.
Ganz vortrefflich ist in dieser Halbfigur ans dunkler Gobelintapete das etwas schwammige Fleisch am Nacken
und in den Wangen nachempfunden; die Hände sind mit liebevollem Fleiß studiert. Hynais legte Wert darauf,

auch in den Details seine Gewissenhaftigkeit zu zeigen;
und wenn ich auf die Handstudie blicke, die unsre Re-
vroduktion aus der Skizzenmappe des Künstlers wieder
gibt, dann werde ich unwillkürlich an die Skizzenbücher
der alten deutschen Meister erinnert, die das Basler
Museum als kostbarsten Schatz birgt. Noch war ich
in das Anschauen des Porträts versunken, als Hynais
in das Atelier trat. Der Maler ist heute 36 Jahre
alt. Er wurde am 14. Dezember 1854 von tschechischen
Eltern in Wien geboren. Er selbst behauptet, nicht
von vornherein ein hervorragendes Zeichentalent gehabt
zu haben oder durch besondere Eindrücke in die
Künstlerlaufbahn getrieben worden zu sein. Seine
Eltern hatten ihn zum Techniker bestimmt. Die Ver-
hältnisse der Familie scheinen nicht brillant gewesen
zu sein, doch hielt sie auf eine gute Erziehung des
Sohnes, der, nachdem er die Volksschule und die
Realschule besucht hatte, die Oberrealschule in Wien
bezog. Tie guten Zeichner unter seinen Mitschülern
reizten zwar seinen Ehrgeiz, aber noch immer zeigte
sich keine ausgesprochene Begabung sür den künstlerischen
Beruf. Er widmete sich allen Schulfächern gleichmäßig,
nur hatte er .eine unüberwindliche Abneigung gegen
die Mathematik. Ich glaub's ihm gern. Wer den
poesievollen „Frühling" geschaffen, dessen Lyrismus ans
^ t ^ das leicht empfängliche, dichtende Gemüt einen Schluß

O'Ev zuläßt, dessen Gedankensitz war nicht dazu geschaffen,

der trockenen, unerbittlich logischen Lehre von den Lo-
garithmen, den Reihen und Gleichungen ein gastliches
Willkommen zu entbieten. Neben seinen Schulstudien
trieb der junge Mann als echter Böhme Musik.

Eine Kunstausstellung, die Hynais besuchte, ent-
schied über seine Zukunft. Zwar sträubte sein Vater
sich mit aller Gewalt dagegen, daß er sich dem Künstler-
bernfe widme, aber schließlich gab er nach, und Hynais
bezog die Wiener Akademie. Es lautet wenig tröstlich,
was der Künstler von seinen Studien auf dieser Anstalt
erzählt. „Hier habe ich mich nach der Antike gründlich
gelangweilt", sagte er mir, „da ich sie vor allem nicht
verstanden habe. Alan begreift sie erst in ihrer ganzen
harmonischen Schönheit, wenn man fleißig nach dem
lebenden Modell gearbeitet hat." Dennoch gewann
Hynais in den siebenziger Jahren den Kompositions-
preis. Ta trat eine für seine künstlerische Richtung entscheidende Wendung in sein Leben ein. Anselm Feuerbach
ward an die Akademie berufen, und es gelang Hynais, die Aufmerksamkeit und das Interesse des Schöpfers
„des Gastmahles des Plato" zu erregen. Hynais' Zeichnungen, die von den übrigen Professoren eine gering-
schätzige Beurteilung erfahren hatten, fanden des Meisters Beifall, und es dauerte nicht lange, so nahm ihn dieser
ganz in sein Atelier. Es ist rührend, mit welcher Pietät Hynais, der heute selber ein Meister, von seinem Lehrer
spricht, wie er heute noch sich in einen edlen Zorn über die Jntrignen und „Nichtswürdigkeiten" Hineinreden
kann, die dem armen Anselmo, der ziemlich weltscheu in Rom nur seiner Kunst gelebt hatte und mit einem-



Aus A. Hynais' Skizzenbuch
 
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