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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Heilbut, Emil: Künstler und Kunstkritiker, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0239

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erlaube ich ziemlich viel) sagt, cs ist eine alte Geschichte,
wenn du nicht graben kannst, und du schämst dich zu
betteln, dann gehst du hin und wirst Kritiker; und Air.
Frith, ein sehr viel weniger guter Maler, ein Darsteller
von mehr literarischen Genrebildern, ist während
seines Lebens (und dieses hat lange gedauert) nicht müde
geworden, die Dummheiten zu zählen, die jemals Kunst-
kritiker gemacht haben. Als wenn Dummheitenmachen nur
eine Eigenschaft der Kritiker wäre! Aber es geht ans dem
allem hervor, welches die Grundansicht der Produzenten
ist, und diese sind sich ziemlich einig leider. Es scheint
wirklich, der Kritiker ist schlecht daran: wenn er nicht
malen kann, so gilt er nicht für kompetent, sagen die

«öl

Stndentenjahren nicht in der Lage, einen Kursus Kritik
durchzumachcn — er muß also wohl etwas andres thun,
um sich vorzubereiten: Architekten sind einige Zeit Maurer
gewesen, um das Gewerbliche ihres Fachs zu erlernen —
so können Kritiker die Malerei als ihren Vorkursus be-
treiben, ohne damit beabsichtigt zu haben, diese herrliche
Kunst auszuüben. Sie können das Talent zur Kritik in
sich spüren, gerade so wie Maler ihr Talent in sich
spüren. Kunstkritik ist ein kompliziertes Fach, ein Mixtum
aus Wissenschaft und Kunst, Malerei ist ein einfaches
Fach; daher Maler nur Maler waren, Kritiker sich
überall umgethan haben können. Es kann aber niemand
von mir Rechenschaft verlangen, was ich war, ehe ich

Stilles Glück, von L. Harburger

Maler, sund wenn er es kann, so sagen sie ihm, er sei
ein verpfuschter Künstler, also er sei nichts! Vasari, unser
Ahn, war ein außerordentlich schlechter Maler, seine Aus-
malung von vielen Palästen ist schauderhaft; dennoch
habe ich nicht bemerken können, daß dieses seine
Schreibfähigkeit beeinträchtigt hätte. Die Künstler sollten
von dem Kritiker ebensowenig verlangen, daß er ein
Maler gewesen sein müsse, als sie darum sein Urteil höher
schätzen sollen, weil er auch malen konnte. Es geht sie
gar nichts an, was er gewesen ist: es geht sie nur an,
was er gegenwärtig leistet. Hierüber zu verfügen, was
er gethan haben solle, bevor er Kritiker wurde, ist nicht
der Leute Recht, sondern des Kritikers Selbstbestimmung,
es ist seine Privatsache. Man studiert nicht auf Kritik,
so wie man Medizin studiert. Ein Kritiker ist in seinen

Kritiker wurde. Erst als ich Kritiker wurde, gehörte ich
der Öffentlichkeit an, und nicht ob das, was ich vor
diesem Berufe leistete, tüchtig war, steht zur Entscheidung,
sondern nur das eine steht zur Diskussion, ob, was ich
als Kritiker leiste, tüchtig ist.

Herr Spielmann debattiert mit den Künstlern, wie
oft Kritiker Unrecht haben und wie oft Künstler Unrecht
haben, und daß alle beide Unrecht haben, folgert er aus
vielen Ursachen. Mir scheint es weniger wichtig, hierauf
einzugehen, .da es eine Diskussion ist, welche an die be-
rühmte Disputation von Toledo erinnert, die Heine be-
sang, und bei der sich der eine immer damit retten will,
daß auch der andre nicht ohne Fehler blieb. Ter Schwer-
punkt einer Auseinandersetzung zwischen Kritiker und
Künstler liegt hingegen meiner Meinung nach nicht darin,
 
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