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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Helferich, Herman: Adolf Hildebrand
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0257

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Adolf Hildebrand, von Herman Helferich

Hauer, daß seine Gestaltungen, besonders wenn der
Kopf ein etwas individuelleres Leben bekam, wie beim
„Merkur", dieser schönen schlanken, klassischen Jüng-
lingsfigur, nicht allein das vorzüglichste bedeuten, was
aus dem Mareesschen Kreise hervorgegangen, sondern
sich, verglichen mit denen der seit der alten Zeit weiter-
gegangenen und ganz natürlichen französischen Plastik,
nah' den besten Werken aushalten, nicht allznweit hinter
Dubois, freilich unbelebt von jenem wunderbaren Hauche
modernen Geistes im besten Sinn, der in allen Ar-
beiten Rodins zittert. Dieses Zittern, dieses Beben,
dieses Leben fehlt Hildebrand; denn niemand schließt
sich ungestraft ans der modernen Welt in die Abstrak-
tion und das Zeitlose ab; Hildebrand könnte einer der
Bildhauerschulen des Altertums in seinen Figuren an-
gehören, und zu den Bildnern der Renaissancezeit mit
seinen Büsten zählen. Ein Beispiel für das elftere
gibt seine vollkommen schöne Statue eines Kugelwerfers
— aber wer wirft Kugeln? Wen berührt es, daß heute
noch einer kommt, der auch einen Kugelwerfer bildet,
einen Kugelwerfer mehr zu den bereits vorhandenen?
Sein Meisterwerk dürfte nicht hier gefunden werden,
aber der Mann in der Nationalgalerie von ihm, eine wundervolle Figur, auf beiden Beinen stehend, männlich
im höchsten Grad, voll Lebensgefühles, ist wie der Übergang der Plastik aus dem antiken Themenkreise hinaus
znm wirklich einfach Menschlichen, und .darum eine grundlegende Statue für alle deutschen Bildhauer, die
nach Hildebrand kommen werden. — Auch die Büsten sind der Natur gegenüber vereinfacht, zwar längst nicht
wie die Statuen, aber es sind jene vielleicht unwesentlichen Züge fortgelassen, welche nichts als einen Reiz
Hervorbringen und die fehlen können. Er gibt das Notwendige, er ist ein großer Porträtist, doch er ist ein
in klassischer Anschauung lebender auch hier, und kein Zweifel, daß ein Grieche etwa ebenso die alte Frau mit
etwas brutalem Gesichte für Bronze aufgefaßt hätte. Moderner ist der „Dvllinger", welcher übrigens nicht so
gut ist wie die Büste einer Frau mit ineinandergelegten Händen von sprechendem Ausdruck, scheinbar nach etwas
hinhörend, zugleich großartig und naturalistisch ausgeführt und wie aus der guten Zeit der italienischen Re-
naissance. Des ferneren sah man in dieser Ausstellung im Kunstverein den Kopf eines Mädchens mit breitem
Gesicht, eines Mädchens, das mit so großer Kunst dargestellt war, daß man wahrnahm, sie müsse blond gewesen
sein; wunderbar schön war diese Büste, eine Engländerin mit niederfallendem Haar, die Angen sprachen und der
Mund lebte. Ich befinde mich im Widerspruch, ich weiß es, mit dem was ich noch soeben sagte, daß bei
Hildebrand das Zittern des Lebens fehle — aber in der That führt dieses herrlich gelungene Werk eine
weitaus modernere Sprache; und es ist sehr erfreulich, hiermit konstatieren zu können, daß der Künstler zu
größerem Gefühl der modernen Seele vorgedrungen sei und sich entwickelt habe: denn die Büste Heyses,
welche anmutet wie ein Werk der römischen Zeit der griechischen Plastik, ist aus Hildebrands Jugend; diese
Engländerin aber hat er vor kurzer Zeit erst gemacht.

Mnderpvrkräk. von Adolf Hildebrand

Fraurnporkrät. Relief von Adolf Hildebrand
 
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