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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die 1891er Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0285

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von Karl v. vincenti

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echt Nattersche Art, eine über einen Serpentinblock
unter der Last einer Krystallstnfe hinaufkeuchende Berg-
gnomengestalt in Bronze voll genialer Derbheit; ein
Kolossalsalamander kriecht unten durch das Gestein. Königs
lebensvoller Kaiserbüste aus dem Oesterreichischen Museum
gebührt auch künstlerisch ein Ehrenplatz, und sein Losche-
titzky gefällt über die Mnsikkreise hinaus. Monumental
wirkende Großplastik ist Scherpes „Austria" für den
Kaiser-Jnbelbrnnnen; ausdrucksvolle Frommplastik bieten
uns der Myslbeck-Schüler Wurzel in einer Gruppe ans
Kreuz geschlagener „Opfer des Glaubens" und Weinrich
mit einem Gekreuzigten und einer Bonifacius-Statue.
Kauffun gen findet sich mit seinem Leidesdorf-Grab-
mal anständig ab, und Straßer, dem Meister
des Exotischen, ist die nicht leichte Aufgabe zugefallen,
eine enge Pseilernische an der Fassade des Künstler-
hauses mit einer Velasquez-Statue zu schmücken, eine
Aufgabe, die er mehr in seiner Art, genrehaft lebensvoll,
als monumental gelöst hat. Der unsterbliche Spanier
ist, mit Palette und Pinsel, vor einer Bildnisleinwand
stehend, aufgefaßt. Unter den Bronzen werden dem Kenner
sofort das allerliebste Najadenköpfchen Kund manns, ein
Bildnis-Medaillon von Waschmann, dem Meister der
Ciselier- und Treibknnst, und ergötzliches Kleinzeug
von Schwartz (Faun mit Gänsen) auffallen. In Silber-
plastik sind Schwartz und Benk auf den Plan ge-
treten. Der Angelische Tafelaufsatz (Friedensgöttin auf
dem Tigcrwagen) nach einer Kargerschen Skizze ist ein
Prachtstück der Wiener Kunst. Schwartz kann stolz
darauf sein. Ta Uten Hayns Stifter-Medaille des
Plastiker-Klubs vertritt mit Ehren diesen edlen Kunst-
zweig, und auf dein Gebiete der Holzskulptur endlich sind
wieder Klotz und Pen dl mit Auszeichnung zu nennen.

Unsre Bilderschau müßte recht umfangreich ans-
fallen, könnten wir diesmal nicht teilweise mit anfangs
erwähnten bekannten Größen rechnen, so daß beispielsweise
die Münchener Musealbilder, zu welchen noch ein Schön-
leber und ein Echtler nachzutragen sind, kritisch
nnerörtert bleiben können. Auch den wundervollen
Boch m a n n, jenes Scheveningcr Strandbild, welches in
München 1888 die goldene Medaille erhielt, haben wir
lediglich zu signalisieren, sowie über die gleichfalls mit
so hoher Auszeichnung an der Isar anerkannte Bildnis-
kunst des Krakauer Polen Poch Walski nur zu sagen
bleibt, daß sie diesen Erfolg auch in Wien davon-
getragen hat. Unsere Wiener Maler sind diesmal in
sämtlichen Aufgeboten auf der Bresche, die zu Meistern
ausgewachsenen Jung-Akademiker, sowie selbst einige vom
Altruhm der Akademie, die führenden Bekenner des
Wiener Freilichts, wie das sittenmalende Jnng-Wien,
welches man bisher unter dem Namen der „Schwarz-
schule" zusammenzufassen gewohnt war. Aus der Jnng-
Akademie, welche wieder das religiöse Bild mit Erfolg
gepflegt hat, ist diesmal der Gewinner des Reichelpreises
hervorgegangen, nämlich Julius Schmid, welchen
wir der Eisenmenger-Schule verdanken. Ebenso gut in-
des wie dessen „Lasset die Kindlein zu mir kommen",
ein Bild von tiefem, idealem Gehalt, hätten seine so
lebensvollen Bildnisse (Tombanmeister Schmidt und
die Gattin des Bildhauers Benk) die Prämiierung
verdient. Ein zweiter Jung-Akademiker, Rudolf Bache r
(ein Schüler Leopold Müllers), hat ein ähnlich weihe-
volles Werk in seinem „AveMaria" geschaffen. „llacrima"

von Gabriel Max, voll süßer Melancholie, gehört
auch unter die Frommbilder. In der Historie istDelug
mit einem Kolossalbilde vom Begräbnisse Alarichs im
Flußbette des abgeleiteten Busento nicht ohne Erfolg ge-
wesen, der Augenblick, wo das vor der Grube instinktiv
zurückschcuende Kriegsroß, das den toten Gotenkönig trägt,
zum Grabe hingezerrt wird, ist gut erfaßt, aber zu
voller malerischer Beherrschung des Vorwurfes reicht die
Kraft des Künstlers noch nicht aus. Unter den Kriegs-
bildern stehen zwei bekannte: M arrs „Bunzlauer rüh-
rende Kinderszene" (nach Gustav Freytag) und Rocholls
„Siebente Kürassiere bei Vionville" obenan. Das Marrsche
Bild, welches den Ruhm des deutsch-amerikanischen Malers
begründete, bot für manchen Beschauer dankenswerten
Anlaß, interessante Vergleiche mit der „Geißler-Prozession"
anzustellen, worin Marr so gewaltig emporgewachsen,
weil die Wahrheit die Wurzel seiner Kunst geblieben.
Die Kossaksche Warschauer Einhanszene, wo russische
Kavallerie über den großen Platz, Säbel und Peitsche
über den Köpfen erschrockener Spaziergänger, dahinfcgt,
ist packend in der stürmischen Bewegung; der drastische
Vorgang wird indes erst vollkommen klar durch das
Datum: 18. April 1861.

Unsre Bildniskunst ist in der glücklichsten Entwicke-
lung begriffen, und was man auch sagen mag, ihre Er-
folge wachsen immer mehr aus dem Boden der gesun-
denden Wahrmalerei heraus. Hoffentlich ist heute ein
Rückfall in die beschönigende Heuchelei des konventionellen
Falschmalens nicht mehr möglich. Mögen anderseits
die Gegner des „Asphaltismus" noch so laut ihre Stimme
erheben, ein geistiger Bannerträger und Wegweiser des
Wahrbildnisses ist Lenbach gewesen und geblieben; sein
Prinz-Regentcn-Porträt bezeugt es zum soundsovielten-
male. Daß man dabei ein Bildnis, ohne Beeinträchtigung
der geistigen Bedeutung, in allem Bei- und Nebenwcrk
ans die feinste plastische Wirkung durchzubilden im stände
ist, das zeigt Pochwalski in seinen vier polnischen
Herrenporträts, unter denen auch in Wien die präpotente
Persönlichkeit des Exzellenzherrn v. Popiel den größten
Beifall und der tiefdurchgeistigte Kopf des Schriftstellers
Sienkiewicz die meisten Sympathien gefunden haben.
Die Krakauer Schule, über welcher allerdings das Genie
eines Matejko schwebt, wirft mit den Bildnissen Poch-
walskis einen Hellen Strahl in unsre Kunstbewegung.
Österreich muß eben nicht nur in der Politik, sondern
auch in der Kunst mit den Polen rechnen. Angeli und
Huber sind mit dankbaren, liebreizenden Mädchenbild-
nissen vertreten, wobei besonders des erstgenannten vor-
nehm-liebenswürdige Weise den glücklichsten Ausdruck
findet. Wir möchten dann nächst den bereits genannten
Schmidschen Porträts noch hervorragende Bildniswerke
von L'Allem and (Teplitzer Bürgermeister), Griepen-
kerl (Maler Hoffmann) und dem Kölner Mosler-
Pallenberg hervorheben. Eine Art für sich bilden die
durch ihr nobles Air auffallenden kleinen Reiterbildnisse
des Kaisers mit der Suite und des Erzherzogs Albrecht
von Tadeusz Ajdukiewicz. Das Pastellporträt ist
glänzend zuvörderst durch seinen Meister Fröschl und
Clemens v. Pausinger vertreten. Des erstgenannten
duftiges Bildnis der Frau Erzherzogin Marie Valerie
wird populär werden. Pausingers weibliche Blanblut-
Pastellportrüts sind eine bekannte Besonderheit; die
Galerie ist nunmehr durch die Baronin Weichs bereichert;

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