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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Springer, Jaro: Die internationale Kunstausstellung zu Berlin, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0352

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L7H Die Internationale Kunstausstellung zu Berlin

auch die anscheinend nebensächlichste Staffagenfigur ins Bild gesetzt. Nirgends ist der Zwang einer gequälten
und mühsam gestellten Komposition zu erkennen, alles ist frei und von so selbstverständlicher Wahrheit. Die
„herben Worte" verlocken eine Novelle zu schreiben, ein modernes Ehepaar im reichausgestatteten Zimmer, das
von der rotverhängten Lampe beleuchtet wird. Die herben Worte sind gesprochen und üben schon ihre Wirkung
auf das junge Weib, das so schmerzlich bewegt im Lehnstuhl sitzt. Die Lampenbeleuchtung ist äußerst fein
gelungen.—- Bon Hugo Vogel ist leider kein besonders charakteristisches Werk auf der Ausstellung. Das Bild
„Auf dem Lande" (eine Dame mit zwei Kindern in einem Blumengarten) gibt noch am ehesten einen Begriff

von ihm. Außerdem sind von ihm noch drei Bildnisse vorhanden, von denen das einer weißgekleideten Dame

auf gelbem Grund am besten gefällt. Von jüngeren tüchtigen Kräften unter den modernen Berlinern seien
P. Höniger, F. Stahl, L. Ury, M. Uth, A. Westphalen erwähnt.

Es wird ja auch sonst noch in Berlin gemalt. Aber es ist ein besonderer Unstern, daß auf dieser Inter-

nationalen Ausstellung, die zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Vereins Berliner Künstler veranstaltet

ist, gerade die heimische Knnstproduktion so wenig vor-
teilhaft erscheint. Selbst auf dem in Berlin von altersher
besonders gepflegten Gebiet der Porträtmalerei ist dies-
mal keine hervorragendere Leistung zu verzeichnen.
Selbst sonst bewährte Namen sind nur mit matten
Arbeiten vertreten. Max Koners Talent scheint für die
Wiedergabe vornehmer Damen doch weniger geeignet.
Er hat bei den beiden ausgestellten Damenbildnissen
seltsamer Weise auf jede dekorative Wirkung, die ihm
bei seinem vielbesprochenen Kaiserbild so gut geglückt ist,
verzichtet, obwohl sie doch gerade bei derartigen Bildern
ganz am Platz ist. Conrad Kiesels Brustbild einer
schwarz gekleideten jungen Dame ist ein wenig auf-
fälliges, aber gut und vornehm gemaltes Bild. Die vier
Gussowschen Porträts sind mit einer bewunderns-
werten feinmalenden Technik ausgeführt, so das Herren-
porträt auf grünem Grund und vor allen Dingen das
technisch stupende Bildnis der jungen Dame im Pelz
auf braunem Grund. Gussows „Drei Dorfparzen"
sind in seiner alten derben Manier gemalt, die drei
greulichen Hexen sind in glücklichem Humor erfunden.

Von den bekannteren Berliner Landschaftern ist
Eugen Bracht wieder mit Bildern vertreten, die
seine Vielseitigkeit und seinen gründlichen Fleiß bekunden.
Er hat diesmal eine orientalische sonnige Landschaft
(„an der Stadtmauer von Jerusalem") und eine „Bran-
dung" mit grauem Wetterhimmel ausgestellt. Aber so
hervorragendes wie auf der letzten Ausstellung hat er
doch diesmal nicht gebracht. Von der vielversprechenden
Brachtschen Schule, von der im vorigen Jahre so
günstiges berichtet werden konnte, ist diesmal wenig zu
merken. Und das wenige hängt so ungünstig, daß es
gar nicht bemerkt werden kann. Von ältern Berliner
Landschaftern ist Albert Härtel gut vertreten, der zwei sehr vornehme italienische Landschaften eingeschickt
hat. Härtels Stillleben dürfte wohl auch das beste auf der Ausstellung sein.

Konrad Lessings „deutsches Städtchen" liegt schon im sommerlichen Abendschatten, während auf
die Höhenzüge des Hintergrundes der letzte Sonnenblick füllt. Im „zerfallenen Hammerwerk" ist ein ähnlicher
Beleuchtungseffekt gemalt. Die Blanmalerei ist in Berlin immer noch hoch. Schnars-Alquists „Nach dem
Typhon" zeigt eine dunkelblaue, wildwogende See, am Horizont ein schmaler roter Streifen die untergegangene
Sonne, vorn im Wasser schwimmt eine Rettungsboje. Bohrdts „Adjüs Lootse" ist ein sehr ansprechendes
Wasser- und Marinebild, Gudes Brandung zeigt ausgezeichnetes Wasser. Im Malen schäumenden, bewegten
Wassers dürfte Müller-Kurzwelly jetzt in Berlin von keinem übertroffen werden.

Mit ihren melancholischen Herbstlandschaften erzielen Hoffmann von Fallersleben und F. Kruse
gute Erfolge. Für die gewaltigen Formen der Alpennatur, die O. v. Kameke mit so großer Treue wiedergibt,
scheint unsre Zeit nicht mehr den rechten Sinn zu haben.

I. von Döllingrr. von I. Kopf

Berliner Intern. Kunstausstellung §891
 
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