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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Brandes, Otto: Die beiden Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0356

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von Mtto Brandes

277

von den Bil-
dern unter
der Decke zn
sehen, ist zum
Schweigen
gebracht wor-
den. Ter Un-
terschied zwi-
schen beiden
Salons ist
heute ein in-
nerer, er liegt
in der künst-
lerischen Ten-
denz.

Wenn in
den Champs
Elyst'es das
Akademische,
Schnlgerechte,
der Autori-
tätsglaube
vorherrscht,
wenn man
dort noch
immer der
Schiller von
irgendwem
ist, und der

Katalog dies getreulich registriert, so ist der Salon
Meissonier der Sammelplatz selbstständiger Köpfe mit
einer eigenen Weltanschauung, künstlerischer wie sittlicher
sowohl, mit einer eigenen Handschrift, einer eigenen
Technik, einem eigenen Stil.

Tie Wahl der Vorwürfe ist denn auch in den beiden
Salons eine grundverschiedene. Im Salon der Champs
Elysoes besteht neben dem Situatiousbilde noch immer
der Anlauf zur „großen Malerei", zum historischen
Gemälde, während der Salon Meissonier sich wenig
oder gar nicht um das schon nebelhaft, in ungewisser
Begrenzung sich zeigende Gestern kümmert. Vergeblich
sucht man in ihm, wenn man von dem zur Deckung
großer Wandflüchen dienenden Tekorationsbild absieht,
den großen „Schinken". Nur selten vergreift man sich
noch daselbst im Format, obwohl dies auch nicht aus-
geschlossen ist.

Eklatant zeigt sich aber die Verschiedenheit der
Richtungen beider Salons im Situationsbilde. Die Ge-
mütsverfassung, welche die Mitglieder des Salons Meis-
sonier gefangen hält, scheint eine ganz andre zu sein
als die der Anhänger der Champs Elysoes. Man möchte
behaupten, daß diese es sich zum Prinzip gemacht haben,
nur aus einer traurigen Note heraus zu malen. Es
wimmelt im Industrie-Palast von Begräbnissen, Kranken-
stuben, von Sterbenden und letzten Stündlein, von Hospi-
tälern und Konsultationen und selbst das beste Bild, das
Geoffroyesche „Asyle de Nuit" ist ein Bild des Elends.
Das ist immer noch der alte weinerliche Ton, der nach
1870 in Paris als ollie galt und aller männlichen
Würde und Kraft entbehrt. Die Zeiten haben sich ge-
ändert. Das wollen die Herrn vom Industrie-Palast
aber nicht einsehen, und so glauben sie denn auch, sie
wären immer noch mit dem Rühren der Revanchetrommel

aktuell. Ter
Salon der
Champs
Ely>7'es ist
überreich an
Revanche-
bildcrn. Es
ist, als ob
die Ereig-
nisse, die
die Kunst-
rcise der
Kaiserin
Friedrich
nach Rom
begleiteten,
bei den Mi-
litürmalern
die Hoff-
nung neu
belebt ha-
ben, daß
diese Bil-
der, die in
den letzten
Jahren we-
der Bewun-
derer noch
Abnehmer

fanden, wieder im Salon auf Sympathie stoßen und
Käufer erhalten würden.

Die im Salon Meissonier behandelten Vorwürfe
des Sitnationsbildes stehen mehr auf dem Niveau der
Tagesstimmuug. Sie sind lebenskühn und lebensmutig,
daher fröhlich und dem Auge angenehm, sie sind modern,
ultramodern, zuweilen mit einem Stich ins Mystische,
die logische Reaktion auf die übertriebene Naturalistik.
Es geht durch die ganze Ausstellung ein Zug echt fran-
zösischen, oder noch besser, pariserischen Geistes und diesem
wird Niemand nachsagen, daß seine vornehmste Eigen-
schaft heute die sei, sich in Trübsal zu verzehren.

Wie in dem Gegenständlichen herrscht in technischer
Beziehung ein prinzipieller Unterschied zwischen den beiden
Salons. Wenn im Industrie-Palast noch die Malerei
in künstlich arrangiertem Atelierlicht vorherrscht, so
zeigt der Salon Meissonier fast ausschließlich die Hell-
lichtmalerei. Während man dort sich an die alten tech-
nischen Formeln bindet, so findet hier ein unausgesetztes
Suchen nach neuen Weisen des Vortrages, nach einem
originellen Stile statt, ein Streben, welches zuweilen in
eine Art Alcibiadismus, in dem Wunsch des Ausfallens
tont xrix ausartet, aber das Interesse wach hält.
Obwohl in dem Salon der Champs Elysoes die Abwechs-
lung unter den Namen der Künstler, von denen jeder
nur zwei Bilder ausstellen darf, verhältnismäßig groß
ist, so kann man sich dennoch daselbst einer gewissen
Ermüdung, die stark die Langeweile streift, nicht er-
wehren. Dieser Zustand ist in dem Salon Meissonier
unbekannt. Und dennoch haben wir es mit einer kleinern
Anzahl Künstler zu thun, von denen jeder meist
mehrere, oft bis zu zwölf Bildern ausgestellt hat. In
diesen Werken aber waltet, sei es im Gegenstände, sei
es in der technischen Behandlung, eine solche Abwechse-



Fries im v. Thiele-Winklrrschen Hause
zu Berlin

von Nicolaus Geiger

Fries im v. Thiele-lVinklerschen Hause
zu Berlin, von N. Geiger
 
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