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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung von 1891, [1]
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Anton Springer
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0393

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308

Die Münchener Iahres-Ausstellung von z89i. von Fr. pecht — Anton Springer

zu verleugnen, dem unsre heutigen ersten Meister doch einen sehr großen Theil des besten verdanken, was sie über-
haupt hervorgebracht. — Oder bei wem wären denn selbst Menzel, aber noch mehr die Lenbach, Löfftz, Diez,
Max, Makart, die Knaus, Janssen, Ed. v. Gebhardt in die Schule gegangen, wenn nicht bei den alten Meistern?
Wenn es sich aber nur um eine wahrhaft naive Kunst handelt, ist es da die des Luca della Robbia, Ghirlandajo,
Correggio, Murillo oder Dürer und Holbein vollends etwa weniger, oder am Ende nicht gar sehr viel mehr
als die der modernen Franzosen?

Kann man nun den Nutzen, welchen unsre Kunst aus der heutigen Bewegung bis jetzt bei der Historien-
und selbst der Sittenbildmalerei gezogen, auf ein sehr bescheidenes Maß zurückführen — etwa auf die Ver-
herrlichung der alten Weiber —, ja stehen ihm unleugbar weit größere Nachteile gegenüber, so ist er doch um
so unbestreitbarer im ganzen Bereich der landschaftlichen Darstellung. Daß man die Wirkungen der Luft und
des Lichts auf den Dingen besser zu studieren habe als bisher, das ist eine der unanfechtbarsten Lehren der
Hell- wie der Graumalerei, und sie hat demgemäß denn auch unleugbar sehr bei unfern Landschaftern ge-
fruchtet. Bilder von solch wunderbarer Feinheit der Abtönung und Lichtfülle, wie die neulich bei uns aus
gestellten Dünenlandschaften Baisch's, waren unsrer Schule bisher noch nie gelungen. Im ganzen hat aber
doch die Produktion selbst des verflossenen Jahres unwiderleglich bewiesen, daß nicht die Proletariatsmaler und
Pleinairisten oder Impressionisten, sondern jene älteren Künstler den größten Vorteil aus der Bewegung zogen,
die sich davon nur so viel aneigneten, als sie mit ihrer bisherigen Art gut vereinigen konnten, wie der eben
genannte Baisch, aber auch fast alle andern Karlsruher, vor allem ihr Matador Keller, dann die Münchener
Löfftz, Simm, Ant. Seitz, Ernst Zimmermann, Th. Schmidt, Block u. a. m., die Landschafts- und Tiermaler
ganz ungerechnet, von denen kein einziger ganz unberührt geblieben. Zieht man also das Endergebnis des seit
einem halben Jahre in unserm nen umgebauten Kunstverein vorzugsweise geführten hochinteressanten Kampfes
zwischen dem Alten und Neuen, dem Einheimischen und Fremden, so weit es bis jetzt übersehbar ist, so zeigt
sich doch unwiderleglich, daß der nationale Geist in unsrer Kunst stark genug sein dürfte, die ihm neu Ange-
führten Elemente, welche ihn anfänglich ganz vernichten zu sollen schienen, doch zu bewältigen und sie nicht
auszustoßen, aber doch in selbständigen Besitz zu verwandeln.

Es wird nnn unsre Aufgabe sein, zu untersuchen, ob die bevorstehende Ausstellung dasselbe Resultat
ergiebt, oder ob wir in der That wieder einmal dazu verdammt sein sollen, uns wie vom sechzehnten bis zum
achtzehnten Jahrhundert freiwillig in die Knechtschaft des Auslandes zu begeben und die Überwundenen von
1870 zu unfern Siegern zu machen. — Die Tragödie der Weltgeschichte hat zwar gar oft mit einein solchen
Sathrspiel geendet, und die launenhafte Göttin Mode erwies sich nur zu häufig als stärker, denn alle Poten-
taten und Philosophen, aber diesmal spricht wenigstens das voraussichtliche Schicksal der mit der naturalistischen
Bewegung in der Kunst so eng verbundenen Sozialdemokratie für unsere Vermutung. Wie diese sich offenbar
auschickt, sich in den Rahmen des nationalen Lebens einzufügeu und aus einer revolutionären eine parlamen-
tarische Partei zn werden, so dürste cs auch mit der neuen Kunstrichtung gehen. - -

Anton Springer i

r^llin 31. Mai ist
in Leipzig der
Professor dcrKunst-
geschichte Anton
Springer im noch
nicht vollendeten
66. Lebensjahre ge-
storben. Einer der
vielseitigsten Ge-
lehrten, der in mehr
als einer Disciplin
heimisch war, einer
der fruchtbarsten
Schriftsteller ist mit
ihm aus dem Leben
geschieden. Was von
seinem geistigen
Schaffen bleiben
wird, ist hier nicht
zu erörtern, zumal
Nnlon Springer, 1 Zi. Mai ^89^ nur der ihm allent-

halben Nachfolgen kann, der wie er so umfangreiche
und verschiedenartige Wissensgebiete beherrscht. Allein
seine kunsthistorischcn Forschungen umfassen das ganze
weite Feld der gesamten Kunstgeschichte. Daß er auch
zur lebenden Kunst der Gegenwart in guten Be-
ziehungen stand, gibt uns das Recht, auch in dieser
Zeitschrift seiner zu gedenken. War doch schon die erste
Schrift, die er als 21 jähriger hcrausgab, eine Studie
über moderne Kunst.

Anton Springer ist am 13. Juli 1825 in Prag
geboren, im Brauhaus des Klosters Strahow. Sein
Vater, der klösterliche Braumeister, starb schon 1829,
wie erzählt wird aus Gram über den Tod seiner Frau.
So wurde Springer als vierjähriger Knabe Waise. In
der kinderreichen Familie eines klösterlichen Wirtschafts-
beamten wurde er aufgezogen, die Not einer harten und
liebesarmen Jugend hat er durchmachen müssen. Dem
Kloster, in dessen Umgebung er seine Kinderjahre ver-
brachte, verdankt er Wohl auch die ersten Kunsteindrücke,
die möglicherweise auf seine Entwickelung von bedeut-
samem Einfluß gewesen sind: als Kind schon sah er
 
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