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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Springer, Jaro: Die internationale Kunstausstellung zu Berlin, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0421

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Die Internationale Kunstausstellung zu Berlin

englischen Landschaften sind noch C. Hunters See-Silber
mit gutem Wasser und Waterlows Landschaft mit dem
Hirt erwähnenswert.

Die Spanier und Italiener sind so vollzählig in
Berlin zum erstenmal zu sehen. Beiden Schulen ist
eigentümlich, daß sie ihrer großen Kunstvergangenheit sich
in keiner Weise mehr erinnern mögen, sie sind in jeder
Beziehung modern. Ob es gerechtfertigt ist, die spanische
Schule in einzelne Lokalschulen zu sondern, ist mir nicht
bekannt. Doch will mir scheinen, als ob das Wohl an-
ginge. Die Schule von Barcelona möchte ich dann wegen
ihres abgeschlossenen Charakters an die Spitze stellen.
Ramon Casas Bild „Bei der Arbeit" gibt schöne
Lichteffekte, eine rot gekleidete Dame, die ans einer Ve-
randa sitzt, ein gedämpftes kühles Licht füllt den Raum
aus. S. Rusinols Bilder zeigen uns gleichfalls eine
bewundernswerte Wiedergabe von Licht und Luft. Das
große Divisionsmanövcr von I. Cusachs ist durch sehr
lebensvolle Komposition von angenehmer Wirkung. Auch
die Stimmungslandschaft ist in Barcelona heimisch (F.Sans,
I. Vanccllo). Die Maler der spanischen Hauptstadt treten
weniger geschlossen auf. Auf dem ernsten Bild von
G. Rosello, betende römische Bauern, ist die vordere
Gruppe, die sich von dem Hellen Himmel mit flimmern-
dem Horizont so schön abhebt, von vorteilhafter Wirkung.
Die historische Malerei erfreut sich hier noch einiger
Pflege, aber wie auch anderswo ist es der gewählte Gegen-
stand, die Farbenpracht der Kostüme, die diesen Bildern
Interesse geben. So die Donna Ines de Castro von
S. M. Cubells.

Die italienische Kunst erzielt ihre besten Wirkungen
in Darstellungen des heimischen Volkslebens und der un-
vergänglichen Schönheit der italienischen Landschaft. Unter
den Landschaften haben mich zwei wegen ihrer neuen
und seltsamen Auffassung besonders gefesselt, F. Care-
anos „Bei Bergamo"; wir blicken von felsigem Vorder-
grund auf eine weite Ebene herab, die ganz aufgerollt
vor uns liegt und uns wie aus einzelnen Plänen an-
einandergcreiht erscheint. Das andere Bild ist von
G. Segantini, „Pflügen im Engadin", das eine ähn-
liche Auffassung für die Bodendarstellung, nur nicht so
kühn und rücksichtslos ausgeführt, zeigt. Von den Volks-
scenen gefallen die von P. Michetti wegen ihrer an-
sprechenden Hellen und guten Färbung und zwanglosen
Komposition am besten. G. Favrettos „Moderne Pro-
menade" ist ein sehr gut beobachtetes Straßcnbild. Violas
„Tod der Virginia" kann nicht sonderlich gefallen.

Von ihrer großen Vergangenheit im 15. Jahr-
hundert ist die historische Malerei der Belgier noch merk-
bar beeinflußt, so vor allem in der Wahl Heller bunter
Farben (E. v. Hove). Sonst aber lassen sich die bel-
gischen Maler von Paris aus bestimmen, aber sie be-
wahren dabei die eigene Individualität, die noch viele
Kennzeichen der alten vlämischen Natur erkennen läßt.
Ein ausgezeichnetes Bild ist „Der Palmsonntag" von
Leemputten, Leute, die aus der Kirche kommen. Das
große Paradebild von Abry war schon auf dem letzten
Brüsseler Salon ausgefallen. Ein eigentümliches Farben-
experiment versucht W. Schlobach, eine schwarzgekleidete
Dame vor einem dunkelblauen Vorhang. H.v.d. Hecht
hat eine gute Schneelandschaft ausgestellt, ebenso E. Claus,
„Eisvögel", schwarzgekleidete Jungens, die sich vom Eis
und Schnee, die von der untergehenden Sonne rötlich

beleuchtet sind, seltsam abheben. Vielfach kommt die Not
und das Elend des menschlichen Lebens zur Darstellung,
ich erwähne die unheimliche „Heimkehr der Bergleute"
von C. E. Meunier.

In Holland ist das Kunstlebcu nicht von der Be-
deutung, wie man annehmen möchte. Während alle jüngern
Maler dort ihre Motive suchen und die Anregung zu
ihren besten Arbeiten bekommen, ist das eigene Kunst-
lcbcn zerfahren. Die armen Leute werden auch hier
gern behandelt. Ein Sterbezimmer von H. Vos scheint
mir von diesen am originellsten zu sein. Durch grüne
Fenster fällt ein fahles Licht in ein ärmliches Zimmer,
das Bett im Hintergrund, in dem ein Mann in den
letzten Zügen liegt, kaum erkennen lassend. Die Bauern
bei Tisch von Israels sind da noch erfreulicher, die
Leute sind wenigstens zufrieden bei ihrem Gericht Kar-
toffeln und der Beschauer fühlt sich nicht als Bourgeois
in seiner Existenz bedroht. Die spielenden Kinder von
P. deJosselin de Jong sind in krankhafter Beleuch-
tung gemalt.

Die Blüte der ungarischen Kunst ist jungen Datums,
wie ihre politische Selbständigkeit. Auch ans diesem Ge-
biet müssen wir ihre energische Selbständigkeit anerkennen.
Ihr gefeierter Benczur ist mit einer etwas fetten Ba-
chantin vertreten, die aber doch zu sehr die Herkunft
vonRubens verrät. Der in Berlin lebende I. Horovitz
hat zwei ganz vortreffliche Damenporträts ausgestellt.
Munkacsys Genrebild gibt eine Bauernstube, sein
Damenporträt ein reich ausgestattetes Boudoir wieder,
beides ist mit größter Sicherheit getroffen. Unter Pa-
riser Einfluß ist das wüste Sittenbild „Der Sieger" von
C. Herzl (vier betrunkene Männer) entstanden.

Die polnischen Künstler suchen ihre Anregungen
teils in Paris, teils doch auch schon in München. In
ihren Landschaften haben sie eine Vorliebe für die melan-
cholische Stimmung ihrer flachen öden Heimat, der sie
aber stimmungsvolle Motive liebevoll abzngewinnen ver-
mögen. Ich erwähne das weiße Bauernhaus im Abend-
dunkel, von I. Ryszkiewiez, die poetischen, stillen
Wafferlandschaften von I. Chelminski. Das Familien-
bild von Hirschenberg ist von einer unbeabsichtigten
komischen Wirkung. Anna Bilinska bringt das Bild
einer älteren vornehmen Dame und in einem Selbst-
porträt den eigenen geistvollen Kopf. Mit dem ge-
wohnten Pathos behandelt Matcjko die Vergangenheit
seiner stolzen Nation.

Die Russen haben uns durch ein Bild auf das an-
genehmste überrascht: Constantin Sawitzkis „Absen-
dung von Reservisten", in der weiten Bahnhofshalle
werden die Reservisten in den bereitstehenden Zug ein-
geschifft, die bewegten mannigfachsten Abschiedsscencn
füllen den Vordergrund. Das ältere Bild von Aiwa-
sowski die Sündflut (1864) bringt den frühen so popu-
lären Schnellmaler wieder in die Erinnerung. In ihren
Schlachtenbildern befleißigen sich die Russen einer er-
freulichen Bescheidenheit, die von den unwahren Kampf-
scenen der Franzosen vorteilhaft absticht. (A. Kinschucko,
der Sturm von Ardorgan.)

Entgegen der hohen Meinung amerikanischer Be-
richterstatter über die heimische Kunstproduktion, ist bei
den uns vorgeführten Bildern der amerikanischen Schule
ein selbständiger Charakter nicht zu erkennen. Sie pro-
fitieren hier, daß die französischen Muster, die sie
 
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