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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung von 1891, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0431

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Die Münchener Iabrcs-Ausstellung von 1891

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der ist aber ein rücksichtsloser Soldat, kein Bürger. Gleich daneben hängt dann das Bild des Börsensürsten
Bleichröder, ein kluger, energischer, aber jeder Idealität entbehrender, merkwürdig an Dingelstedt erinnernder
Kopf, ganz geeignet zum heutigen Weltbeherrscher. Fürwahr, man denkt da unwillkürlich, die größte Wohlthat,
die Bismarck uns Deutschen erwiesen, sei doch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die unfern durch
den Kapitalismus noch ärger herabgebrachten Bürgerstand doch wieder zu jenen männlichen Tugenden heran-
zieht, ohne die kein Staat seine Freiheit und Unabhängigkeit bewahren kann. In unsrer unglaublich schwäch-
lichen deutschen Malerei sind zwar immer noch recht wenig, aber doch etwas mehr Spuren von dieser Um-
wandlung zu bemerken, zu der sich die Belgier und Holländer bekanntlich noch immer nicht aufrasten konnten.
Man muß auch bei uns zu Menzel, A. v. Werner, Defregger oder Allers gehen, um etwas davon zu bemerken.
Englands merkwürdig damit kontrastierende männliche Kunst spiegelt da eben die Gesundheit der Nation wieder,
da schon die Behauptung der Seeherrschaft und des ungeheueren Kolonialbesitzes die männlichen Tugenden in
den Mittelklassen nie aussterben lassen.

Immerhin erquicklicher als ihre Figurenmalerei, die nach 1830 noch einen ganz andern Charakter
trug, ist bei den Belgiern ihre Naturbetrachtung. Leider haben sie wie die Holländer uns gar zu viel Fabrik-
ware geschickt, indes haben doch Courtens und van Leemputten unter den belgischen Landschaftern, Le
Mayeur unter den Marinemalern, dann de Haas und Frau Henriette Ronner unter den Tierdarstcllern
weit mehr Energie und feinen Natursinn gezeigt, als, Wanters ausgenommen, sämtliche Figurenmaler.
Unter den Holländern bringt dann Henkes neben Israels und Neuhuys noch gute alte Weiber; aber
diese für unsre Zeit so auffallend bezeichnende große Vorliebe für sothane Menschengattung ist doch nicht
eben geeignet, in der Kunst zu imponieren! Ein oder zwei Dutzend Bilder von dem verstorbenen Mauve
erfreuen oft durch die Feinheit ihres Tons und die Anspruchslosigkeit der Natnrauffassnng, Vorzüge, die auch
einer Reihe kleiner Landschaften von Artz zukommen, wie den Mesdag'schen Marinen.

Die Holländer haben sich aber angewöhnt, ihre Bilder alle auf fünf Schritte Entfernung zu berechnen
und frappieren dann regelmäßig durch die Wahrheit des Tons. Aber wenn man gar keinen Reiz des Details
mehr hat, wird man doch gar zu leicht leer und ermüdet sehr rasch, wie denn auch unser Publikum die
Vorliebe für die monotonen Holländer und ihre sich ewig wiederholenden Bilder bereits verloren hat und ihre
Säle leer läßt.

Die romanischen Völker

Obwohl die Spanier einen großen Saal mit ihren Bildern gefüllt, haben sie uns diesmal doch eine
Enttäuschung bereitet, denn dieselben sind weit unter der Güte der früher gesandten geblieben. Ein halb
Dutzend große, offenbar von Pensionären der römischen Akademie gemalte Leinwänden mit zum Teil der
römischen Geschichte entnommenen Sujets, wie der Antonius und die Fnlvia, die lachend den Kopf des Cicero
empfängt, von Manra y Montaner oder die Rhea Silvia des Hidalgo de Caviedes können wahrlich für die
Rohheit der Vorwürfe nicht durch ihre ziemlich gleichgültige Mache entschädigen. Ebenso wenig vermögen das des
Munoz-Degrain „Liebende von Ferne!", eine Art Romeo und Julia bei Regenwetter. Besser, weil
wenigstens Selbstgesehenes erzählend, ist dann des Martinez Abadss Austeilung des Abendmahls ans
einem großen Kriegsdampfer. Erfreulich sind aber die Spanier blos bei ihren in Rom für das Weltpnbliknm
gemalten Sittenbildern. So des Villegas „Letzte Augenblicke eines Stierkämpfers", wo einem durch die ihn
umdrängenden, überaus wahr wiedergegebenen Kameraden die wilde Rohheit dieses Handwerkes vollständig klar
gemacht wird. Sehr hübsch bunt und lustig ist dann Viniegras Schließung eines Ehekontrakts in Spanien und
Benlliure h Gils „Einkehr", eine höchst malerische, aber nicht gerade anlockende Wirtshausscene. Wie bei
einigen von unfern östlichen Nachbarn von Halb-Asien, so kann man hier von Halb-Afrika sprechen. Haben
diese römischen Spanier alle ihr dem Fortuny entlehntes, tiefes und die starken Farben wie blitzendes Mach-
werk liebendes Kolorit beibehalten, so zeigt sich dagegen der in Paris halb zum Franzosen gewordene Louis
Jimenes in seinem sehr fein studierten „Trödelmarkt im Temple" schon ganz zur Graumalerei übergegangen,
wie auch Aranda in seinen Schachspielern. Daß man die Spanier so oft in Rom oder Paris suchen muß,
wirft aber doch ein bedenkliches Licht auf den mageren Boden, den diese Kunst in ihrem Vaterlande -findet,
und man muß sich nur wundern, daß sie noch immer so ausgesprochen national bleibt. Unter den Landschaften
ist dann auch noch einiges Gute zu erwähnen, so des Sevillaners Rodriguez y Garcia sehr pikant gemachtes
„Ufer des Guadalquivir" oder des Ramos Artal „Regenstimmung". Offenbar haben die Spanier aber
diesmal ihre besseren Sachen nach Berlin geschickt.

Dasselbe gilt auch mehr oder weniger von den Italienern, von denen übrigens noch eine große
Sendung erwartet wird. Das Vorhandene füllt indes nicht nur einen großen Saal, sondern zieht auch noch,
in eine Menge deutscher Säle zerstreut, durch seinen Farbenjubel die Augen auf sich in der grauen Einöde
der Umgebung von passionierten deutschen Nachahmern der französischen Granmaler. — Eigentlich hervor-
ragendes ist indes, einige venetianische Lagunenbilder von Ciardi, Fragiacomo und Zanetti ausgenommen,
kaum da. Diese aber, wie noch die Villa des Nero aus Subiaco von Marius de Maria, oder der „Abend
 
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