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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung von 1891, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0432

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von Friedrich Pecht

Z3Y

Die VrrlreibunA aus dem Paradiese von Franz Stuck

am Lago Maggiore" von Gigno ns, dann sein „Stresa" zeigen uns, daß die Italiener ihr Land und ihren
Himmel im Ganzen doch noch sehr viel besser schildern als unsre so oft konventionell gewordene Jtalien-
schwärmerei. Fast ausnahmslos möchte ich dasselbe auch von ihrer Volksschilderung behaupten, die seil zwanzig
Jahren geradezu glänzende Fortschritte gemacht hat, weil sie eben den Verstand haben, nnr Italiener zu
schildern, und alles eher denn Kosmopoliten sind, wie wir. Das ist aber um so verdienstlicher, als sie noch
sehr viel mehr als unsre Künstler auf die Fremden als Käufer angewiesen sind. So hat unter den Venetianern
Milesi einige köstlich frische Bilder gebracht, der Römer Joris gibt dann einen urkomischen Straßenbarbier
und einen noch besseren öffentlichen Schreiber, Muzzioli aber einen „Bachantinnentanz" von jedenfalls neuer
Auffassung der antiken Welt. Die Florentiner Andreotti und Vinea geben der erste eine ganz köstliche
„Mnsikstunde" zweier vornehmer, bildhübscher Damen bei einem alten Musikmeister, der zweite ein brillantes
Blumenmädchen und Chierici zwei prächtige Kinderbilder. Keiner von allen diesen Künstlern ist aber ein
geistloser Nachahmer, sondern alle zeigen das Temperament ihrer Nation und selbst ihres Stammes, sie sind
natürlich und frisch, bunt und lustig, aber nie plump, roh und häßlich. Weil sie aber nur sich selbst geben,
so gefallen sic in der ganzen Welt. Ich kann ihnen hier noch den längst italienisierten Polen Siemiradskh
anschlicßen, der zwei reizende Bilder gebracht hat, eine meisterhaft gestimmte Dämmerungsscenc im römischen
Gebirg und einige antike Mädchen, die von oben herab ein Liebespaar — nicht ohne Neid — belauschen.
Beides ist liebenswürdig geschildert und macht in seiner Leichtigkeit dem Künstler mehr Ehre, als seine mit
viel größerem Aufwand in Scene gesetzte Phryne vom vorigen Jahr.

Indem wir nun zu den Franzosen übergehen, dürfen wir sofort feststellen, daß sie Heuer bei uns
glänzender vertreten erscheinen, als alle die Jahre her. Nur sind es nicht die Franzosen von heute, sondern
die von gestern, welche ihrer Ausstellung diesen Glanz geben und es sind noch mehr die berühmten Namen
als die Bilder selber, welche so imponieren. Wenn man da von Delacroix, Marilhat, Raffet, Fromentin,
Trohon, Daubignh, Corot, Diaz, Millet, Manet, Jules Dnpre, Meissonier re. liest, so erwartet
man unstreitig sehr viel mehr, als man hinterher etwas enttäuscht findet, wenn man gewahrt, daß es meist
nur Privatsammlungen entnommene kleine Bilder und Skizzen sind, welche mit diesen volltönenden Namen
prunken. Noch mehr überrascht es, wenn man die heute noch Lebenden mit diesen Unsterblichen vergleicht und
sie ihnen meist so wenig ebenbürtig findet. In der That sind Herr Puvis de Chavannes, Henner,
Rohbet, Gerome, Bonnat, Carolus-Durand jenen älteren kaum gewachsen, so verdienstvoll sie an sich
auch immer seien. Denn das muß man hier gleich betonen, besser geschult als die unfern sind die
Franzosen fast alle, sie haben das Handwerk der Kunst besser gelernt, wozu sich die Deutschen so selten
bequemen wollen. Sie sind aber hier auch deshalb um so mehr im Vorteil, als sie so viele Unsterbliche ins
Gefecht führen, während wir nur Lebende und auch diese nnr sehr, sehr lückenhaft auftreten ließen. Das
gehört nun zu dem entsetzlichen Mangel an Kriegskunst, über den man sich hier beständig ärgern muß! Es
haben ja schon die alten Deutschen bekanntlich immer die Dummheit begangen, den Römern den Vorteil der
Sonne und des Windes zu lassen und deshalb von Cäsar oder Marius geschlagen zu werden. In dieser Be-

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