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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung von 1891, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0433

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.^0 Die Münchener Iahres-Ausstellung von 1891 Don Friedrich pecht — Aphorismen, von A. Stier

ziehung haben uns aber zweitausend Jahre offenbar nicht belehrt! — Es ist nur ein Glück, daß wenigstens
Menzel noch lebt, sonst hätten wir ihrem Meissonier, der durch zwei reizende kleine Kabinetsstücke, einen
Schreiber und einen Leser ans der Zopfzeit, vertreten ist, absolut nichts Gleichwertiges oder gar Überlegenes
entgegenznsetzen. Denn was das Hineinleben in den Charakter der Zeit und die künstlerische Vollendung der
Darstellung betrifft, so finden diese zwei Meissoniers auch unter ihren Landsleuten nicht ihresgleichen; man
kann sie in jede Galerie neben einen Mieris oder Dow hängen und wird sie vollkommen ebenbürtig finden.
Auch in Bezug auf den Reichtum des Tons, der bekanntlich bei Meissonier früher kühl und mager war!
Darin erscheint er auch Menzel überlegen, wie er eine Hand, ein Knie modelliert. Ganz anders stellt sich
freilich die Sache, wenn man auf das geistsprühende Machwerk, oder vollends auf die Charakteristik sieht. Da
erscheinen uns Meissoniers beide Kerle vollkommen gleichgültig, es find Zopfmenschen, Schreiber, deren
Nationalität man nicht einmal mit Bestimmtheit angeben kann, während man bei Menzels „Hofball in Nheins-
berg" oder dem „Cercle", den Kaiser Wilhelm abhült, den Personen nicht nur ihr Jahrhundert, sondern auch
ihre Nationalität, ihren persönlichen Charakter, ihre Stellung in der Welt aufs genaueste ansieht, und das alles
mit einem sprühenden Geist, einer Leichtigkeit wiedergegeben findet, die hoch über den immer etwas nüchternen
Meissonier hinausgehen und sich zu ihm verhalten, wie ein echtes Genie zu einem glänzenden Talent. Ähn-
liches kann man von Rvybets „Neuigkeit" sagen, die einigen Schachspielern ein hinzntretendcr junger Mann
erzählt. Das spielt im 17. Jahrhundert und die Einzelnen entsprechen dem auch ungefähr, wie die Kostüme.
Er ist etwa so weit als unser Klaus Meyer, aber kann es denn die Aufgabe unsrer Zeit sein, die damaligen
Niederländer zu wiederholen und natürlich hinter ihnen znrückznbleiben? Da ist es immer noch besser, wenn man
wie Uh de die biblischen Erzählungen in die heutige Zeit verpflanzt, oder wie Tissot, der die Historie vom
verlornen Sohn ins modern Englische übersetzt und aus dem Alten einen reichen Londoner Kaufherrn macht,
dessen Junge hoffnungsvoll auf die See geht, in Japan sich in schlechten Häusern hernmtreibt und zuletzt als
Schweinehirt mit einer starken Ladung seiner Zöglinge zurückkehrt, um vor dem Papa, der sich einige derselben
für sein Gut aussuchen will, beschämt auf die Knie zu fallen. Den Schluß macht das obligate Gastmahl, wo
wir ihn zu Gnaden ausgenommen und das Roastbeef tranchierend wiederfinden. Man sieht, die Franzosen
erzählen doch auch Geschichten — sogar recht gut. Dafür haben sie aber weder eine so absurde Granmalerei,
noch so rohen Impressionismus wie wir. Dergleichen ins Plumpe und Unsinnige zu übertreiben, überlassen
sie den deutschen Nachäfferu; selbst Manet, der Erfinder des Impressionismus, „komponiert" genau wie
andre Leute und malt zwar etwas roh, aber mit auffallend gutem Ton. Mit seinem Porträt des Antonin
Proust gibt er sogar das Charakterbild eines Pariser Gigerls, der immer noch geistvoller erscheint, als alle
Wiener Originale dieser Gattung. Von Porträten wären dann noch die des Frl. Breslau und des.Carolus-
Durand, der eine reiche Jüdin in Purpur ertränkt, sowie eines von Boldini zu erwähnen. Interessanter
sind, wie gesagt, die älteren Franzosen, aber man kann uns doch nicht zumuten, einen Kursus französische
Kunstgeschichte zu halten und über Corot, Millet, Bastien Lepage oder gar über Delacroix zu schreiben,
die alle schon mehr als 20 Jahre tot sind! Neu ist fast nur die idyllische Modernisierung des Christentums,
wie eine sehr hübsche Heilige Familie von Demont zeigt, wo Papa Josef bei den letzten Strahlen der Abend-
sonne noch fleißig hobelt, Maria ihr Kind stillt, vor ihnen aber als Hauptsache ein ganzes Lilienfeld blüht!
Die Franzosen wirken eben fast immer erheiternd, wenn sie naiv erscheinen wollen. Hier geschieht es wenigstens
mit Grazie! Auch sonst ist manches Hübsche in der Landschaft da, so vom Wiener Zettel, darunter Enten
im Teich, und ein Waldinneres von Mnnkacsy. Es ist aber doch auffallend, daß so vieles vom Besten in
dieser Pariser Ausstellung von Deutschen herrührt, so das genialste von Kolorit, eine im Meer stehende Mutter,
die ihren Jungen wäscht und von Sonnenlicht förmlich strahlt, von Zorn, einem Stuttgarter, dem man noch
eine lange Reihe anderer anschließen könnte, die dort fremden Kohl fett machen helfen. Darum hat denn auch
die französische Ausstellung, nächst der deutschen, am wenigsten einen ausgesprochen nationalen Charakter.

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte.)

ApHciriF m e n

Don A. Stier

Men Feuerkops, das Rrastgenie
Zwingt ins Philistertum ihr nie
Mit seinen engen Pfaden!

Das stürmt euch ewig kreuz und quer.
Lin echter Revolutionär,

Doch einer „von Gottes Gnaden".

unsrer Tage, wie man auch dich schmäht,

Und was man auch mit Recht an dir getadelt,
Lin Zug in deinem Göttcrantlitz steht,

Der dich für alle Zeiten ehrt und adelt, -
Ls ist das göttlich-menschliche Erbarmen
Mit den Redrärkten, Lleudcu und Armen.
 
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